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Rechtsanwalt Michael Bessler


Über den Roman: Der Mann ohne Eigenschaften

Texte

Seminararbeit von Michael Bessler, März 1999


Über den Roman:
Der Mann ohne Eigenschaften
von Robert Musil




Einleitung

Der Roman bildet die Grundlage der vorliegenden Seminararbeit. Es wurde praktisch keine Sekundärliteratur beigezogen. Die Arbeit soll eine direkte Begegnung mit dem Text wiedergeben.
Grundlage der Arbeit ist das erste und zweite Buch des Romanes ‘Der Mann ohne Eigenschaften’ (MoE) in der Ausgabe von Adolf Frisé.
Zitate sind in kursiver Schrift, mit eingerücktem Absatz der Arbeit beigefügt. Die Seitenangaben stehen in Klammern am Schluss der Zitate und beziehen sich auf die Rowohlt Taschenbuchausgabe (ro 13462). Der zweite Band der Rowohlt Ausgabe (ro 13463), der die nicht zu Lebzeiten des Schriftstellers veröffentlichten Kapitel sowie den Nachlass beinhaltet, wurde nur punktuell in der Arbeit berücksichtigt.


1. Literatur und Recht

Rechtshistorische Fragen und Aspekte sind im Roman auf zweifache Weise behandelt.
Einerseits durch das Ansprechen von konkret rechtlichen Themen wie verminderte Zurechnungsfähigkeit, Willensfreiheit und Einsichtsfähigkeit.
Anderseits durch die Beschreibung der Krise Kakaniens vor dem ersten Weltkrieg und die dadurch bedingten Veränderungen von Menschen- und Gesellschaftsbild.
Da das Recht Teil der Gesellschaft ist, finden gesellschaftliche Entwicklungen ihre Resonanz im Recht. Die im Roman beschriebenen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen werden in der vorliegenden Arbeit in Zusammenhang mit Entwickungen in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie gesetzt.
Literatur ist Zeitzeugnis und bietet Material, eine Geschichte zu behaupten und zu belegen. Literatur kann ein Steinbruch zur Darstellung von Geschichte sein. Literatur ist ein Eintopf aus dem Material für Spezialgebiete, wie z.B. die Rechtsgeschichte herausgefiltert werden kann.
MoE ist ein Lebenswerk, in grossem Umfang werden Menschen, Begegnungen, Eindrücke wiedergegeben, deren Gemeinsames Zeit und Ort, nämlich Kakanien kurz vor dem ersten Weltkrieg ist.
Musil beschreibt Einzelheiten, Individuen, Meinungen. Sie alle belegen in ihrer faszinierenden Vielfalt eines: die Auflösung der Einheitlichkeit. Es ist naheliegend, Musils Werk zu lesen als eine Beschreibung des Umbruchs zur Moderne in Kakanien oder Kakanien in der Endzeit vor der Katastrophe des 1. Weltkrieges.

2. Biographie Musils

Robert Musil, geboren am 6. Nov. 1880 in Klagenfurt, studierte Maschinenbau und Philosophie. Er promovierte zum Dr. phil. Musil kam zu seinen Lebzeiten zweimal zu literarischem Ruhm. 1906, noch als Philosophie- und Psychologiestudent in Berlin, mit dem Erstlingswerk „Die Verwirrung des Zöglings Törless“ und erst wieder ein Vierteljahrhundert danach, 1930 und 1932 mit den beiden ersten Bänden seines grossen Romans „Der Mann ohne Eigenschaften“. Sie sind in der Rowohlt Ausgabe in Band I., Erstes und Zweites Buch zusammengefasst. Musil war freier Schriftsteller geworden, nur mit Mühe konnte er sich durch finanzielle Engpässe schlagen.
1931 ging er nach Berlin. 2 Jahre später, kurz vor der NS-Machtübernahme, kehrte er nach Wien zurück. Er arbeitete nach 1932 an der Fortsetzung des Romanes, welche aber nicht mehr zu Lebzeiten des Dichters veröffentlicht wurde. Im Sommer 1938 ging Musil in die Schweiz. Als er am 15. April 1942, erst 61 Jahre alt, in Genf starb, war das kaum noch eine Nachricht. Musils Nachlass zum MoE besteht aus 20 „Druckfahnenkapiteln“, die vom Dichter zur Überarbeitung zurückgezogen wurden, sowie einem riesigen, fragmentarischen Nachlass. Sie sind in Band II der Rowohlt Ausgabe veröffentlicht.

3. Der Versuch einer Übersicht

In einem Geflecht zwischen übergeordneter Erzählung, Beschreibung und direkter Rede lernt der Leser die Welt des Protagonisten Ulrich kennen. Der Roman gleicht einer Anhäufung durcheinandergewirbelter Sequenzen, die um die Person Ulrichs kreisen. In über hundertsechzig Kapiteln (und mehr aus dem Nachlass) stapeln sich neben-, über-, durcheinander verschiedenste Auseinandersetzungen, Gedankengänge, Diskussionen zu einem Bilderturm der Uneinheitlichkeit. Einer Uneinheitlichkeit, die für Ulrich zur Auflösung wird.
Der Roman ist, wie Ulrilch selbst bezüglich der Wirklichkeit sagt, ein Scherbenberg der Gefühle, der Ideen, der Lebensmöglichkeiten. Musil wollte mit dem Roman Beiträge zur geistigen Bewältigung der Welt geben. Kritiker sprachen von einem ironischen Inventar zeitgenössischer Ideen.
MOE sollte mehr sein als ein Roman. Musil hatte den umfassenden Anspruch, die Ideen seiner Zeit festzuhalten. Der Anspruch war zu gross, ja unmöglich. Musil konnte seinen Roman nicht beendigen. Das Projekt dieses monumentalen Werkes hat Musils Leben nicht mehr losgelassen, seine letzten 20 Jahre verschlugen, festgenagelt und finanziell ausgemergelt.
Der Anspruch an den Roman ist in sich widersprüchlich. Musil wollte die Auflösung des Ganzen ganzheitlich beschreiben, er wollte durch Festhalten der Konturen des Einzelnen, einen Zerfallsprozess darstellen.
Musil war ein exacter Beobachter. Er verlangte von sich die Präzision des Gedankens. Mit chirurgischer Spache seziert er seine Themen.
Der Roman spielt 1914, kurz vor dem Ersten Weltkrieg, in Wien, der Hauptstadt des Vielvölkerstaates Kakanien. Kakanien ist eine ironische Bezeichnung Musils für die oesterreichisch-ungarische Doppelmonarchie. Wir Leser erhalten Einblick in damals vorkommende Positionen und Bewegungen. Ulrichs Mit- und Gegenspieler stellen vielfältige Varianten damaliger menschlicher Eigenart dar: Vertreter führender Kreise der Monarchie, gebildete und gewandte Vertreter des Grosskapitals, Diplomaten, Reformer, Schwärmer, potentielle Revolutionäre, Nymphomaninnen, eine esoterische Salonkönigin, ein zurechnungsunfähiger Sexualmörder, eine wahnbesessene Nietzsche-Anbeterin, jugendliche Vertreter der deutsch-nationalen Bewegung etc.
Im Roman geschieht eigentlich wenig, die Protagonisten scheinen vielmehr in einem von selbst fahrenden Zug zu sitzen. Der Zug der Geschichte, der sich seine Geleise selbst legt. Die Passagiere darin schauen aus dem Fenster. Entsprechend ihrer Gemütslage sehen sie, was sie sehen können und sprechen darüber. Der Roman besteht nicht aus Handlungen, er besteht aus Beschreibungen und Gesprächen. MoE ist nicht der Roman der Tätigkeit, er ist der Roman der Beobachtung von aussen. Einer sich ausgrenzenden, ausgegrenzten Beobachtung, die es sich durch ihr nicht Betroffensein erlauben kann, grundlegende Fragen zu stellen.
Ulrich, 32 jährig, steigt zumindest vorübergehend aus seiner Karriere als Mathematiker aus, um sich mehr nach Möglichkeiten als nach angeblich gegebener Wirklichkeit zu richten. Denn was überhaupt möglich ist, ist auch anders möglich. Durch den Ausstieg erreicht Ulrich die Distanz, um durch Beobachtung das Gegebene als eine von vielen Möglichkeiten zu sehen.
Auf Druck des Vaters wird Ulrich Sekretär der patriotischen Aktion, genannt Parallelaktion. Die Parallelaktion sucht eine würdige und vereinigende Idee zur Begehung des 70 jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers im Jahre 1918. Diese Aktion wird zur Plattform einer regen, geistigen Auseinandersetzungen, in die Musil verschiedene Zeitströmungen einfliessen lässt. Die patriotische Aktion ist das Gerüst, auf dem sich der erste Teil des Romanes aufbaut.
MoE ist Lebenswerk Musils. Es ist unmöglich, diesem Roman in Form einer Seminararbeit gerecht zu werden. Der beschriebene gesellschaftliche Zerfalls- und Aufbruchpozess, dessen Reaktion, sowie der Fall Moosbrugger bilden Schwerpunkte der vorliegenden Seminararbeit.
Das Frauenbild Musils ist nicht Gegenstand dieser Arbeit, was eine Lücke darstellt. Die weiblichen Figuren sind offenkundig aus einem die Sinnlichkeit suchenden Männerblick dargestellt. Die Aussagen der Frauen stehen oft entrückt zum sachlichen Diskurs des Buches. Dagegen wird ihrer Erotik um so mehr Aufmerksamkeit geschenkt.

I. Die Moderne

Die Durchsetzung bürgerlicher Strukturen in der feudalen Habsburger Monarchie mag als Beginn der Moderne in Kakanien gelten. Der alte, hierarchische, von oben geführte und erfassende Staat wurde durch die modernen Entfaltungsmöglichkeiten aus den Fugen gerissen. Die Gesellschaft entwickelte sich nicht mehr unter Obhut der Krone, sondern wuchs und wucherte in den verschiedensten Einzelrichtungen und Funktionen aus sich selbst.
Bürgerliche Ideen und Nationalismen hatten die einheitliche Identität der kakanischen Staatsbürger ausgehöhlt. Technisierung, ein atemberaubender wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Fortschritt, als auch eine anschwellende Informationsflut brandeten gegen die alte Vorstellungswelt Kakaniens.
In den Jahren vor dem 1. Weltkrieg lag sowohl Aufbruch als auch Endzeit.

Damit hatte Diotima aber an sich das bekannte Leiden des zeitgennössischen Menschen entdeckt, das man Zivilisation nennt. Es ist ein hinderlicher Zustand, voll von Seife, drahtlosen Wellen, der anmassenden Zeichensprache mathematischer und chemischer Formeln, Nationalökonomie, experimenteller Forschung und der Unfähigkeit zu einem einfachen, aber gehobenen Beisammensein der Menschen. (103)


1. Verlust des Einheit

A. Verlust der Kommunikation


Kakaniens Gesellschaft erlebte den Verlust einer gemeinsamen, verbindenden Wirklichkeit.
Die individuellen Erfahrungen gliederten sich in unüberschaubar viele, beinahe nicht vermittelbare Ebenen. Die gesellschaftliche Rangfolge der Monarchie entsprach nicht mehr dem tatsächlichen Wirken der verschiedenen Bevölkerungskreise. Die Strukturen hinkten der Zeit hinterher.
Zu Salontreffen, im Roman im Zusammenhang mit der patriotischen Aktion beschrieben, erschienen nicht nur Damen und Herren aus den Kreisen des Adels und aus der Diplomatie, sondern auch das bürgerliche Wirtschafts- und Geistesleben fühlte sich in erhöhtem Masse angezogen.
So stiessen in den Salons Grafen und Maschinenbauer aufeinander, Spezialisten für Funktechnik und Komponisten, die voneinander noch nie einen Ton gehört hatten, Webstuhl-, Beichtstuhl- und Lehrstuhlinhaber, Menschen, die bei dem Wort Kurs an Rennkurs, Börsenkurs oder Seminarkurs dachten.
Die Salontreffen waren berühmt dafür,

dass man dort an grossen Tagen auf Menschen stiess, mit denen man kein Wort wechseln konnte, weil sie in irgendeinem Fach zu bekannt waren, um mit ihnen über die letzten Neuigkeiten zu sprechen, während man den Namen des Wissensbezirks, in dem ihr Weltruhm lag, in vielen Fällen noch nie gehört hatte. (100)

Die Spezialisierung der Wirkungsfelder untergrub das gemeinsame Gespräch. Die gemeinsame Erlebniswelt war im Entschwinden begriffen, ein sachliches und vernünftiges Gespräch mit mehreren schien unmöglich, allgemeine Feststellungen waren kein Ersatz.

Wenn er reif ist, hast du einen Menschen vor dir, der sich auf einem bestimmten Quadratmilimeter so gut auskennt, wie in der ganzen Welt höchstens zwei Dutzend andere Menschen, der genau sieht, wie alle Menschen, die sich nicht so genau auskennen, Unsinn über seine Angelegenheit reden, und sich doch nicht rühren darf, denn wenn er seinen Platz nur um einen Mikromilimeter verlässt, redet er selbst Unsinn.(264)

Eine allgemeine Kommunikation war unmöglich geworden.
Im Grunde entsprang die Geselligkeit des Salons dem Bedürfnis, eine menschliche Einheit vorzutäuschen, welche die so sehr verschiedenen Betätigungen umfassen sollte und niemals vorhanden war. Diese Täuschung nannte Diotima (die Inhaberin des Salons) Kultur und gewöhnlich mit einem besonderen Zusatz die alte österreichische Kultur. Dem Auseinanderfallen der Gesellschaft sollte eine vereinigende, beseelte Kultur entgegenstehen.
Das Christentum hatte aufgehört einen gemeinsamen, tragenden Grundwert zu bilden.
Die Religion konnte das zentrierenden Zurückführen auf vereinigende Werte nicht mehr übernehmen. Gott wurde als im Tiefsten unmodern gesehen:

„Wir vermögen nicht, ihn uns in Frack, glattrasiert und mit einem Scheitel vorzustellen, sondern tun es nach Patriarchenart. Und was ist ausser der Religion an Gemeinsamen vorhanden? Die Nation? Der Staat?“ (197)
„Die Wissenschaft?“ fragte Arnheim weiter; „die Kultur? Bleibt die Kunst. Wahrhaftig, sie wäre es, die am ersten die Einheit des Daseins und seine innere Ordnung spiegeln müsste. Aber wir kennen doch das Bild, das sie heute bietet. Allgemeine Zerrissenheit; Extreme ohne Zusammenhang.“ (197).

Die Spezialisierung führte zur allgemeinen Akzeptanz der Ignoranz. Themen wurden delegiert. Wer nicht vom Fach war, musste sich dazu auch keine Meinung bilden.
Der Bankdirektor Leo Fischel, ein Salonbesucher, wusste um seine begrenzte Kompetenz und Aufgabe.

Als ein Mann, der in seinem Fach tüchtig war, wusste er natürlich, dass man nur dort, wo man sich wirklich sehr genau auskennt, eine Überzeugung haben kann, auf die man selbst setzen möchte; die ungeheure Ausbreitung der Tätigkeiten lässt ihre Bildung anderswo nicht zu. Darum haben die tüchtigen und arbeitsamen Menschen, ausser auf ihrem engsten Fachgebiet, keine Überzeugung, die sie nicht sofort preisgeben würden, wenn sie einen äusseren Druck dagegen spüren. (135)

Fischel hatte sich im Sinne der Effizienz spezialisiert. Er erkannte, dass er zu der ausufernden Komplexität der vielfachen gesellschaftlichen Angelegenheiten nichts zu sagen hatte. Sein spezialisiertes Wissen hatte ihn aus einer umfassenden, allgemeinen Diskussion herausbefördert. Er glaubte jedoch, wie es alle Bankdirektoren tun, an den Fortschritt des Ganzen, den er sich nur irgendwie dem Bild der fortschreitenden Rentabilität seiner Bank ähnlich vorstellen konnte.
Es war keine Zeit der grossen Gedanken, wurden sie auch noch so herbeigesehnt. Allgemeine Anliegen, die alten Fragen und Probleme der Menschheit wurden nun den einzelnen Sachgebieten zugeteilt.
Eine Arbeitsteilung im Sinne der Effizienz bedrängte das umfassende Bildungsideal der Aufklärung.

Früher hat man ja wohl von Gedankenflug gesprochen, und zu Zeit Schillers wäre ein Mann mit solchen hochgemuten Fragen im Busen sehr angesehen gewesen; heute dagegen hat man das Gefühl, dass mit so einem Menschen etwas nicht in Ordnung sei, wenn das nicht gerade zufällig sein Beruf ist und seine Einkommensquelle. Man hat die Sache offenbar anders verteilt. Man hat gewisse Fragen dem Menschen aus dem Herzen genommen. Man hat für hochfliegende Gedanken eine Art Geflügelfarm geschaffen, die man Philosophie, Theologie oder Literatur nennt, und dort vermehren sie sich in ihrer Weise immer unübersichtlicher, und das ist ganz recht so, denn kein Mensch braucht sich bei dieser Ausbreitung mehr vorzuwerfen, dass er sich nicht persönlich um sie kümmern kann. (358f.)

Die Fachgebiete werden effizienter von den Fachkräften verwaltet, sie produzieren eine Kompliziertheit und Unübersichtlichkeit und belassen durch ihre Abgegrenztheit und Isolierung die Allgemeinheit in einer Unwissenheit. Die Allgemeinheit hat sich den Spezialisten anvertraut.

Doch selbst bei den Spezialisten haben sich Erscheinungen durch Arbeitsteilung in hohem Grade unabhängig vom Persönlichen gemacht. Der Auftraggeber kommt nicht unmittelbar in Berührung mit der Ausführung, und die Organe der Verwaltung sind dadurch gedeckt, dass sie nicht aus persönlichen Gründen, sondern als Beamte handeln.

Durch diese zur Virtuosität ausgebildete 'Indirektheit' wird heute das gute Gewissen jedes Einzelnen wie der ganzen Gesellschaft gesichert; der Knopf, auf den man drückt, ist immer weiss und schön, und was am andren Ende der Leitung geschieht, geht andere Leute an, die für ihre Person wieder nicht drücken.(638)

Der Handlungsablauf als Ganzes hat sich vom Individuum gelöst, ist nicht mehr einem Handelnden zuzuordnen. Die Handlung macht sich gegenüber den Einzelnen selbständig.

Die Teilung des moralischen Bewusstseins, ... , diese fürchterlichste Erscheinung des heutigen Lebens, hat es immer gegeben, aber sie ist zu ihrem grauenvollen guten Gewissen erst als eine Folge der allgemeinen Arbeitsteilung gelangt, und als solche besitzt sie auch etwas von deren grossartigen Unvermeidlichkeit. (638 f.)

B. Über den Fortschritt

Ich denke, ... , jeder Fortschritt ist zugleich ein Rückschritt. Es gibt Fortschritt immer nur in einem bestimmten Sinn. Da unser Leben im Ganzen keinen Sinn hat, hat es im Ganzen auch keinen Fortschritt. (484)
... Aber man kann auch das Umgekehrte sagen: Wenn unser Leben Fortschritte im einzelnen hat, hat es Sinn im einzelnen. (485)
Das Einzelne hat Richtung, das Leben als Ganzes hingegen ist ohne Richtung und deshalb nicht steuerbar.

Der Vergleich der Welt mit einem Laboratorium hatte in ihm nun eine alte Vorstellung wiedererweckt. ... . Dass das Gesamtlaboratorium etwas planlos arbeitete und dass die Leiter und die Theoretiker des Ganzen fehlten, gehörte auf ein anderes Blatt. (152)

Ulrich hatte Achtung vor Fachlichkeit und Spezialistentum, dennoch dachte er, es sei der Weg zum Bienenstaat.
Walter (der Ehemann der Nietzsche-Anbeterin Clarisse) läuft Sturm gegen die Vielfalt der Moderne. Es sei die Übersicht verloren, die Kontrolle entglitten, was kommen werde, und Walter dachte dabei an seine Frau, sei die Ausschreitung der Phantastik.
Walter erklärt Ulrich:

„Du hast recht, wenn du sagst, dass heute nichts mehr ernst, vernünftig oder auch nur durchschaubar ist; aber warum willst du nicht verstehen, dass gerade die steigende Vernünftigkeit, die das Ganze durchseucht, schuld daran ist. In alle Gehirne hat sich das Verlangen gelegt, immer vernünftiger zu werden, mehr denn je das Leben zu rationalisieren und zu spezialisieren, und zugleich das Unvermögen, sich denken zu können, was aus uns werden soll, wenn wir alles erkennen, zerteilen, typisieren, in Maschinen verwandeln und normen. Es kann so nicht weitergehen.“ (218 f.)


2. Der Zerfall der Persönlichkeit

„Am Land kommen die Götter noch zu den Menschen,“ dachte er „man ist jemand und erlebt etwas, aber in der Stadt, wo es tausendmal so viel Erlebnisse gibt, ist man nicht mehr imstande, sie in Beziehung zu sich zu bringen: und so beginnt ja wohl das berüchtigte Abstraktwerden des Lebens.“ (649)

Jeder Fortschritt ist ein Gewinn im Einzelnen und eine Trennung im Ganzen; es ist das ein Zuwachs an Macht, der in einen fortschreitenden Zuwachs an Ohnmacht mündet, und man kann nicht davon lassen. ... .

Dieser Körper wächst dem Inneren davon. Unzählige Auffassungen, Meinungen, ordnende Gedanken aller Zonen und Zeiten, aller Formen gesunder und kranker, wacher und träumender Hirne durchziehen ihn zwar wie Tausende kleiner empfindlicher Nervenstränge, aber der Strahlpunkt, wo sie sich vereinen, fehlt. (154)

Dem Menschen ist die Mitte abhanden gekommen. Der Geist findet kein Zentrum. Nur in einem Detail des Lebens können die Menschen wirken, das Ganze ist ihnen entglitten. Die Menschen erleiden einen Kontrollverlust. Mit ihrem Weltbild sind die Ereignisse nicht mehr zu verstehen.

... der endgültige Zustand eines geistig angebildeten Menschen war ungefähr der, dass er sich auf sein „Fach“ beschränkte und für den Rest seines Lebens die Überzeugung mitnahm, das Ganze sollte ja vielleicht anders sein, aber es habe gar keinen Zweck, darüber nachzudenken. (154 f.)

Es gibt keinen ganzen Menschen mehr, erwiderte Ulrich auf die Anwürfe Walters,

„Du brauchst bloss in eine Zeitung hineinzusehn. Sie ist von einer unermesslichen Undurchsichtigkeit erfüllt. Da ist die Rede von so viel Dingen, dass es das Denkvermögen eines Leibniz überschritte. Aber man merkt es nicht einmal; man ist anders geworden. Es steht nicht mehr ein ganzer Mensch einer ganzen Welt gegenüber, sondern ein menschliches Etwas bewegt sich in einer allgemeinen Nährflüssigkeit.“ (217)

Das alte Weltbild findet sich nicht mehr mit dem Vorgegebenen zu recht. Es dient nicht mehr als Schlüssel zum Verständnis, sondern wird zur Blockade. Steht quer zur Erfahrung.
Ulrich beschreibt eine Fremdheit und Ohnmacht:

... diese gesteigerte Anspannung des Erlebens bei gesteigerter Fremdheit, die noch durch die Überzeugung verstärkt wird, dass es auf einen nicht ankomme, sondern nur auf diese Summen von Gesichtern, diese vom Körper gerissenen, untereinander zu Armeen von Armen, Beinen oder Zähnen zusammengefassten Bewegungen, denen die Zukunft gehört; ... (723)

Es kommt auf einen nicht an, das Ganze scheint sich von selbst abzuwickeln. Der Mensch bestimmt nicht das Geschehen, sondern wird durch Geschehen bestimmt. Das Aussen ist aus der Objektposition gelöst. Die Unterscheidung zum Subjekt fällt. Das Ich wird in die Ereignisse aufgegliedert.

Heute dagegen hat die Verantwortung ihren Schwerpunkt nicht im Menschen, sondern in den Sachzusammenhängen. Hat man nicht bemerkt, dass sich die Erlebnisse von Menschen unabhängig gemacht haben? (150)
Es ist eine Welt von Eigenschaften ohne Mann entstanden, von Erlebnissen ohne den, der sie erlebt, und es sieht beinahe aus, als ob im Idealfall der Mensch überhaupt nichts mehr privat erleben werde... .
Wahrscheinlich ist die Auflösung des anthropozentrischen Verhaltens, das den Menschen so lange Zeit für den Mittelpunkt des Weltalls gehalten hat, aber nun schon seit Jahrhunderten im Schwinden ist, endlich beim Ich selbst angelangt, denn der Glaube, am Erleben sei das wichtigste, dass man es erlebe, und am Tun, dass man es tue, fängt an, den meisten Menschen als eine Naivität zu erscheinen.(150)

Die Welt ist unpersönlich. Das Wort Schicksal gewinnt einen statistischen Wert. Man meint zwar ein persönliches Schicksal zu haben, aber es kommt auf etwas auffallend Unpersönliches hinaus.

„Über grössere Strecken scheint es also ganz gleichgültig zu sein, ob man sich erregt und in welchem Sinn man seine Erregung eingesetzt hat. Es kommt alles ans gleiche Ziel, und es dient alles einer Entwicklung, die undurchsichtig und unfehlbar ist.“ (722)
„Heute macht das Schicksal eher den Eindruck der übergeordneten Bewegung einer Masse“ meinte er; „man steckt darin und wird mitgewälzt.“ (722)

Das Schicksal scheint abgesetzt. Das Persönliche löst sich in der Statistik auf.
Der Mensch ist Stoff der selbständig sich abwickelnden Abläufe. Sie drehen sich weiter, Namen, Personen werden aufgerollt.
Die Menschen im Roman scheinen überfordert.
Selbst das Ich wird in eine Anhäufung von Gesetzmässigkeit aufgelöst. In einem Gespräch über Liebe und Persönlichkeit, erläutert Ulrich:

„Das Ich verliert die Bedeutung, die es bisher gehabt hat, als ein Souverän, der Regierungsakte erlässt; wir lernen sein gesetzmässiges Werden verstehen, den Einfluss seiner Umgebung, die Typen seines Aufbaus, sein Verschwinden in den Augenblicken der höchsten Tätigkeit; mit einem Wort, die Gesetze, die seine Bildung und sein Verhalten regeln. Bedenken Sie: die Gesetze der Persönlichkeit, ...! Es ist das wie ein gewerkschaftlicher Zusammenschluss der einsamen Giftschlangen oder eine Handelskammer für Räuber! Denn da Gesetze wohl das Unpersönlichste sind, was es auf der Welt gibt, wird die Persönlichkeit bald nicht mehr sein als ein imaginärer Treffpunkt des Unpersönlichen, ... .“ (474)

Das Wesen des Menschen wird unter den Seziertisch der Analyse gefahren. Das wissenschaftliche Erfassen des Menschen wird als Auflösung der Intimität erfahren. Das Eigene entschwindet im gesetzmässigen Ablauf. Das persönliche Ich zerfällt unter der wissenschaftlichen Beobachtung in abstrakte Grössen.
Ulrich führt aus
:
„Ich habe Ihnen früher einmal gesagt, dass in der Welt desto weniger Persönliches übrigbleibt, je mehr Wahres [Wissenschaftliches; ergänzt durch M.Bessler] wir entdecken, denn es besteht schon lange ein Kampf gegen das Individuelle, dem immer mehr Boden abgenommen wird. Ich weiss nicht, was zum Schluss von uns übrig bleiben wird, wenn alles rationalisiert ist. Vielleicht nichts, aber vielleicht gehen wir dann, wenn die falsche Bedeutung, die wir der Persönlichkeit geben, verschwindet, in eine neue ein wie in das herrlichste Abenteuer.“ (572)


3. Rechtsgeschichtliche Aspekte

Die Realität zergliedert sich in verschiedene Wirklichkeiten, wie kann es da nur eine Gerechtigkeit geben? Die Wahrheit löst sich auf in Teilwahrheiten, woher kann eine generelle Norm ihre Richtigkeit beanspruchen?
Die Angemessenheit würde von der Gerechtigkeit eine adäquate Vielfächerigkeit erfordern. Jede Wirklichkeit hat ihre eigene Gerechtigkeit. Gibt es nur Gerechtigkeit im Einzelnen, kann die Gerechtigkeit als Ganzes nicht bestimmt werden.
Wir finden in einem zu lösenden Problem eine Welt von Fragen. Die zu lösenden Aspekte der Realität tanzen auf den unterschiedlichsten Ebenen, als politische Auseinandersetzungen, als ökologisches Risiko, ökonomische Notwendigkeit, als zu normierender Haftpflichtfall, als wissenschaftliche Zukunft, medizinische Hoffnung, als internationale Verpflichtung, etc.
Die Auflösung einer einheitlichen Welt und Natur in vielfältige, sich widersprechende Welten von Naturen, macht aus dem alten Wesen des Seins einen Grossbahnhof, wo Möglichkeiten wie Züge ein- und ausfahren. Die Erfahrung, dass das Wesen des Menschen ein festhalt- und feststellbarer Zustand sei, wird durch die verschiedenen Registerzüge des modernen Lebens unmöglich.

A. Auflösung des Naturrechts

Dem Natur- oder Vernunftrecht ist die Basis entzogen. Die Frage nach einem Wesen des Rechtes hat gegenüber der Relativität der Vielfältigkeit keine Glaubwürdigkeit mehr. Eine Legitimierung des Rechts durch einen einheitlichen, natürlichen oder vernünftigen Ursprung kann nicht mehr nachvollzogen werden. Es scheint, der übergeordnete, klare und bestimmende Hintergrund, die gegebene Wertgrundlage des Rechts wurde durch Lärm und Rauch des neuen Zeitalters verdrängt. Von aufgelöster Natur, sich widersprechender Vernunft und nicht eigentlicher Eigentlichkeit ist kein Recht ableitbar. Weder Gott, noch die Natur, weder Vernunft noch Tradition können auf die verschiedenen Fragen des modernen Lebens eine einheitliche Antwort geben.
Was bleibt ist eine Änderung der Fragestellung. Die philosophische Frage nach Wesen und Inhaltslegitimation des Rechts wird durch die Fragestellung nach der Rechtsquelle ersetzt. Der Rechtspositivimus behauptet keine Werte mehr, sondern fordert die Setzung einer Norm als Bedingung ihrer Geltung.
Der Geist nagt an den überkommenen Vorstellungen. Es hat keinen Platz für ewige Werte. Ulrich behauptet, alles hänge vom Zusammenhang ab, in dem es sich befinde.
Er [der Geist; erg. M.B.] anerkennt nichts Unerlaubtes und nichts Erlaubtes, denn alles kann eine Eigenschaft haben, durch die es eines Tages teil hat an einem grossen, neuen Zusammenhang. Er [Ulrich, erg. M.B.] hasst heimlich wie den Tod alles, was so tut, als stünde es ein für allemal fest, die grossen Ideale und Gesetze und ihren kleinen versteinten Abdruck, den gefriedeten Charakter. Er hält kein Ding für fest, kein Ich, keine Ordnung; weil unsere Kenntnisse sich mit jedem Tag ändern können, glaubt er an keine Bindung, und alles besitzt den Wert, den es hat, nur bis zum nächsten Akt der Schöpfung, ... . (153f.)
Alles hat nur in seiner momentanen Funktion Geltung, nichts ist aus sich heraus und alles kann gestürzt werden. Der Geist ist der grosse Jenachdem - Macher. Ulrich beschreibt die Auflösung der Werte.

B. Indeterminismus oder Determinismus

Die Moderne untergräbt die Vorstellung der Selbstverantwortung eines freien Ichs. Das Ich als Regisseur des Lebens hat keine Kompetenz mehr in einer komplexen Welt. Es hat sich verloren, aufgegliedert in Sachzusammenhänge. Persönlichkeit verliert sich in Sachzwänge.
Wie kann da noch von persönlicher Schuld gesprochen werden?
Musil beschreibt die Auflösung der Persönlichkeit, den Verlust der Selbstbestimmung. Musil beschreibt Beobachtungen und Erfahrungen, die den Deterministen als Argumente gegen den Indeterminismus dienten.
Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an beginnen sich die deterministischen Stimmen in der Strafrechtslehre zu mehren. Sie behaupteten die Fremdbestimmung des Menschen. Sachzwänge seien die Ursache menschlichen Handelns. Daraus folge, dass Strafe als Vergeltung einer persönlichen Schuld ein falscher und sinnloser Ansatz sei. Ludwig Knapp nennt in seinem Werk „System der Rechtsphilosophie“ (1857) die Hypostasierung der menschlichen Seele zu einem wirklichen Wesen, dem überdies Willensfreiheit zukommen soll, den verderblichen Ausgangspunkt des phantastischen Denkens. Knapp erklärt den Indeterminismus als ein Produkt begrifflicher Denkphantasie, welches den „Einheitsabschluss des Denkens“ irrational und damit irrtümlich vorwegnehme.
Für die Mitte des 19. Jahrhunderts lässt sich mit dem „jähen Fall des Hegelschen Systemes“ das Ende der Vorherrschaft der Philosophie behaupten. Die Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften treten an Stelle der Philosophie. Das frei denkende, philosophische Ich wird durch wissenschaftlich erhobene Daten ersetzt. Die Beobachtungen der statistischen Regelmässigkeit treten an Stelle der philosophischen Reflexion.
Aufsehen erregten Arbeiten über statistisch beobachtete Verbrechenshäufigkeit, die unter dem Titel „Verbrechensbudget“ den Schluss zogen, „die Gesellschaft bereitet das Verbrechen vor, der Schuldige ist nur das Instrument, welches dasselbe ausführt.“
Die Deterministen argumentieren nach Kausalgesetzen, alle Veränderungen erfolgen in Abhängigkeit von vorangegangenen Veränderungen, auf die sie notwendig erfolgen. Den Indeterministen wird Inkonsequenz vorgeworfen, einerseits die Willensfreiheit zu postulieren, anderseits hinter jeder Entscheidung einen Grund zu suchen und an die Wirkung von Prävention zu glauben.
Das Freiheitsgefühl ist für Deterministen Nichtkenntnis der Ursachen. Das Freiheitsgefühl sei besonders stark im Wahn von gewissen Geisteskranken zu beobachten und könne, wie jenes Beispiel darlege, nicht als Grundlage der persönlichen Verantwortlichkeit dienen.
Bereits Feuerbach (1775-1833) argumentierte, dass die Strafdrohung ein entscheidender Kausalitätfaktor bei der Willensbildung sein könne. Dem Strafrecht werde nicht der Mensch unterstellt, der „frei“, causa sui, sei, sondern gerade der kausal determinierbare Mensch. Das Recht solle mit der Qualität eines Sachzwanges individuelle Entscheidungen beeinflussen. „Damit ist eine radikale Loslösung von aller ethischen Begründung der Strafbarkeit vollzogen. Die Tat ist zurechenbar, wenn der Täter imstande gewesen ist, Strafgesetze auf sich wirken zu lassen“. Zurechnungsfähigkeit heisst Abschreckbarkeit.
Der Determinismus fand seine Zuspitzung in einer biologistischen Verbrechenserklärung durch Lombroso (1836-1909). Er erklärte ein Verbrechen als notwendiges Ergebnis der körperlichen und psychologischen Eigenart des Verbrechers. Der führende Strafrechtler Liszt (1851-1919) grenzte sich klar von Lombrosos anthropologischer Lehre ab. Liszt vertrat einen soziologischen Determinismus, er forderte die Berücksichtigung von Umwelteinflüssen.
Die Diskussion um Willensfreiheit und Zurechenbarkeit, die sich im Schulenstreit zuspitzt, wird weiter unten, unter dem Thema Zurechnungsfähigkeit behandelt.


4. Geschichte

Rechtsgeschichte ist ein Spezialgebiet der allgemeinen Geschichte.
Im MoE finden sich verschiedene Aussagen zur Geschichte und Geschichtsschreibung. Musil verzichtet auch für die Geschichte auf einen einheitlichen, systematischen Ansatz.
Geschichtschreibung ist eine Erzählform, sie dient zur Beschreibung der Auffassungen der Historiker. Auch die Historiker können von der Vergangenheit nur erkennen, was sie bereits kennen. In der Bindung an das Erkannte liegt eine Wiederholung.
Weil Weltgeschichte zweifellos ebenso entsteht wie alle anderen Geschichten. Es fällt den Autoren nichts Neues ein, und sie schreiben einer vom anderen ab. Das ist der Grund, warum alle Politiker Geschichte studieren, statt Biologie oder dergleichen. (360)
Eine Wiederholung, die durch jede neue Erzähung eine dramatische Steigerung erfährt und durch Ungenauigkeit und Phantasie zu einem gewissen Variantenreichtum gelangt.
Ulrich erinnerte sich einer Erfahrung aus seiner Militärzeit:
Die Eskardron reitet in Zweierreihen, und man lässt „Befehl weitersagen“ üben, wobei ein leise gesprochener Befehl von Mann zu Mann weitergegeben wird; befiehlt man nun vorne: „Der Wachtmeister soll vorreiten“, so kommt hinten heraus: „Acht Reiter sollen sofort erschossen werden“ oder so ähnlich. Auf die gleiche Weise entsteht auch Weltgeschichte. (361)
Ulrich sieht im Verlauf der Geschehnisse ein gewisses wolkenhaftes Sich-Verlaufen. Er kann keine Gesetzmässigkeit erkennen. Die Geschehnisse sind kontingent. Vergangenheit ist eine Möglichkeit der Möglichkeiten. Es liegt ihm fern, eine Begründung zu behaupten.
Der Weg der Geschichte ist also nicht der eines Billiardballs, der, einmal abgestossen, eine bestimmte Bahn durchläuft, sondern er ähnelt dem Weg der Wolken, ... . Es liegt im Verlauf der Weltgeschichte ein gewisses Sich-Verlaufen. (361)
In der Geschichte liegt eine Unübersichtlichkeit.
Es geschah viel, und man merkte es auch. Man fand es gut, wenn man es selbst tat, und war bedenklich, wenn es andere taten. Im einzelnen konnte es jeder Schuljunge verstehen, aber im ganzen wusste niemand recht, was eigentlich vor sich ging, bis auf wenige Personen, und die waren nicht sicher, ob sie es wussten. Einige Zeit später hätte alles auch in geänderter oder umgekehrter Reihenfolge gekommen sein können, und man würde keinen Unterschied gefunden haben, mit Ausnahme gewisser Veränderungen die auf die Dauer der Zeit eben unbegreiflicherweise zurückbleiben und die Schleimspuren der historischen Schnecke bilden (449).
Das Prinzip des unzureichenden Grundes! ....; in unserem wirklichen, ich meine damit unserem persönlichen Leben und in unserem öffentlich-geschichtlichen geschieht immer das, was eigentlich keinen rechten Grund hat. (134)
Geschichte ist nicht kausal erklärbar. Ohne kausale Erklärung wird Geschichte zur Aneinanderreihung von Einzelheiten. Diese Einzelheiten stehen in keinem zwingenden Ablauf. Geschichtssystemen erteilt Ulrich eine Absage.
Philosophen sind Gewalttäter, die keine Armee zur Verfügung haben und sich deshalb die Welt in der Weise unterwerfen, dass sie sie in ein System sperren. (253)
Andere heilsgeschichtsmässige, historische Theorien werden im Roman z.B. in einer Rede von einem Professor anlässlich des Gründungstreffens der patriotischen Aktion vertreten. Der Professor meint, in der Gegenwart herrsche ein Übermass an gefährlichen Geschehnissen, ohne erkennbare Richtung. Gewalt und Ungewissheit würden vielseitig an die Zeit branden. Wenn man aber zurückblicke, sei alles wie durch eine wunderbare Fügung Ordnung und Ziel geworden. Wir würden in jedem Augenblick das Geheimnis einer wunderbaren Führung erleben. Es gelte dem (monarchistisch zu erziehenden) Volk dafür die Augen zu öffnen.
Nach des Professors Worten ist die Geschichte in umfassender Führung und Richtung begründet. Die Rede des Professors dient als Beispiel, dass sich jede Vorstellung anhand der Geschichte behaupten lässt, als wäre zuerst die Vision, und man richte darum sorgfältig seine historischen Fakten. Geschichte kann auch Zauberspiegel sein, was immer erwünscht, findet sich in der Geschichte.

II. Philosophie des Möglichen

1. Ulrich, ein Mann ohne Eigenschaften

Ulrich ist der Mann ohne Eigenschaften. Für ihn ist Wirklichkeit eine von vielen Möglichkeiten. Ulrich lebt nach dem Möglichkeitssinn (16). Er denkt sich, was ebensogut sein könnte, und nimmt das was ist nicht wichtiger als das Mögliche. Er erfindet sich, was sein könnte, es könnte aber auch anders sein.

Und da der Besitz von Eigenschaften eine gewisse Freude an ihrer Wirklichkeit voraussetzt, erlaubt das den Ausblick darauf, wie es jemand, der auch sich selbst gegenüber keinen Wirklichkeitssinn aufbringt, unversehens widerfahren kann, dass er sich eines Tages als ein Mann ohne Eigenschaften vorkommt.(18)

Ulrichs mathematische Arbeiten hatten ihm Anerkennung eingebracht. Ulrich war das, was man eine Hoffnung nennt. Eines Tages hörte Ulrich auf, eine Hoffnung sein zu wollen. Er las irgendwo das Wort „das geniale Rennpferd“. Er begriff, in welchem unentrinnbaren Zusammenhang seine ganze Laufbahn mit dem Genie der Rennpferde stand. Ulrich wollte ein bedeutender Mensch werden, und als er dem Erfolg seiner Karriere näher kam, begrüsste ihn von dort oben das Pferd, das ihm zuvorgekommen war.
Ulrich sah, dass Genialität sich nur noch in einer Hochleistung auf engstem Gebiet, in der Besterfüllung einer bestimmten Aufgabe zeigt. Die veralteten, umfassenden Begriffe von Genie und menschlicher Grösse würden reduziert auf die einwandfrei messbaren Leistungen von Pferden oder Boxmeistern, wo der Beste auch wirklich als der Besten feststeht.
Ulrichs Leiden um der Wissenschaft willen wurde durch die Genialität eines Rennpferdes hintertrieben.

In wundervoller Schärfe sah er [Ulrich], mit Ausnahme des Geldverdienens, das er nicht nötig hatte, alle von seiner Zeit begünstigten Fähigkeiten und Eigenschaften in sich, aber die Möglichkeit ihrer Anwendung war ihm abhanden gekommen; und da es schliesslich, wenn schon Fussballspieler und Pferde Genie haben, nur noch der Gebrauch sein kann, den man von ihm macht, was einem für die Rettung der Eigenheit übrigbleibt, beschloss er, sich ein Jahr Urlaub von seinem Leben zu nehmen, um eine angemessene Anwendung seiner Fähigkeiten zu suchen.(47)

2. Ein Mann ohne Eigenschaften besteht aus Eigenschaften ohne Mann

Mit wenig Übertreibung durfte er [Ulrich] darum von seinem Leben sagen, dass sich alles darin so vollzogen habe, wie wenn es mehr zueinander gehörte als zu ihm. Auf A war immer B gefolgt, ob das nun im Kampf oder in der Liebe geschah. Und so musste er wohl auch glauben, dass die persönlichen Eigenschaften, die er dabei erwarb, mehr zueinander als zu ihm gehörten, ja jede einzelne von ihnen hatte, wenn er sich genau prüfte, mit ihm nicht inniger zu tun als mit anderen Menschen, die sie auch besitzen mochten. (148)
Es ist nicht schwer, diesen zweiunddreissigjährigen Mann Ulrich in seinen Grundzügen zu beschreiben, auch wenn er von sich selbst nur weiss, dass er es gleich nah und weit zu allen Eigenschaften hätte und dass sie ihm alle, ob sie nun die seinen geworden sind oder nicht, in einer sonderbaren Weise gleichgültig sind. (151)

Ulrich konnte, wenn er seine Empfindungen überwachte, zu nichts ohne Vorbehalt ja sagen; er suchte die mögliche Geliebte, aber wusste nicht, ob es die Richtige sei. Aus seiner Jugend kannte Ulrich das Wort „hypothetisch leben“. Ulrich zögerte, aus sich einen Charakter, Beruf, eine feste Wesensart zu machen.

... kein Ding, kein Ich, keine Form, kein Grundsatz sind sicher, alles ist in einer unsichtbaren, aber niemals ruhenden Wandlung begriffen, im Unfesten liegt mehr von der Zukunft als im Festen, und die Gegenwart ist nichts als eine Hypothese; über die man noch nicht hinausgekommen ist. Was sollte er da Besseres tun können, als sich von der Welt freizuhalten, in jenem guten Sinn, den ein Forscher Tatsachen gegenüber bewahrt, die ihn verführen wollen, voreilig an sie zu glauben?! (250)

Ulrich lebte, als würde er einen Essay schreiben, als sei das Leben ein Entwurf.

Es gab etwas in Ulrichs Wesen, das in einer zerstreuten, lähmenden, entwaffnenden Weise gegen das logische Ordnen, gegen den eindeutigen Willen, gegen die bestimmt gerichteten Antriebe des Ehrgeizes wirkte, und auch das hing mit dem seiner Zeit von ihm gewählten Namen Essayismus zusammen... (253)

Ein Essay ist kein Ordnungsgedanke, ist weder Wahrheit noch Subjektivität, sondern etwas dazwischen. Und sowenig man aus den echten Teilen eines Essays eine Wahrheit machen kann, vermag man aus einem solchen Zustand eine Überzeugung zu gewinnen.

Es hat nicht wenige solcher Essayisten und Meister des innerlich schwebenden Lebens gegeben, ...; ihr Reich liegt zwischen Religion und Wissen, zwischen Beispiel und Lehre, zwischen amor intellectualis und Gedicht, sie sind Heilige mit und ohne Religion, und manchmal sind sie auch einfach Männer, die sich in einem Abenteuer verirrt haben. (253 f.)

Ulrich wird die Verleugnung der Tatkraft vorgeworfen, er sei negativistisch, ausweichend und immer auf dem Sprung ins Unmögliche. Ulrich entgegnet:

„Es ist einfach meine Überzeugung,“ erwiderte Ulrich „dass Denken eine Einrichtung für sich ist, und das wirkliche Leben eine andere. Denn der Stufenunterschied zwischen den beiden ist gegenwärtig zu gross.“ (274)

Mann kann der Wirklichkeit nur die geistige Teilnahme verweigern. Ulrich wird vom Verwirklichten weniger angezogen als vom Nichtverwirklichten. Es ist dies ein Unterschied in der Richtung der Betrachtung. Ulrich nennt sich aktiv passiv. Aktiv passiv wie ein Gefangener, wartend auf die Gelegenheit des Ausbruchs.

Ein Mann ohne Eigenschaften sagt nicht Nein zum Leben, er sagt Noch nicht! (444)

Man kann nur gewähren lassen was kommt. Es ist zu leben wie lesen, es ist auszulassen, was einem nicht passt. Ulrich will den Ereignissen nicht die Wendung zu sich geben. Sie sind nicht persönlich und wirklich, sondern man muss sie wie gemalt oder gesungen stehen lassen.

... , man muss sich wieder der Unwirklichkeit bemächtigen; die Wirklichkeit hat keinen Sinn mehr! (575)
Und alles, was Ulrich im Laufe der Zeit Essayismus und Möglichkeitssinn und phantastische, im Gegensatz zur pedantischen Genauigkeit genannt hatte, die Forderungen, dass man Geschichte erfinden müsste, dass man Ideen-, statt Weltgeschichte leben sollte, dass man sich dessen, was sich nie ganz verwirklichen lässt, zu bemächtigen und am Ende vielleicht so zu leben hätte, als wäre man kein Mensch, sondern bloss eine Gestalt in einem Buch, von der alles Unwesentliche fortgelassen ist, damit sich das übrige magisch zusammenschliesse, - alle diese, in ihrer ungewöhnlichen Zuspitzung wirklichkeitsfeindlichen Fassungen, die seine Gedanken angenommen hatten, besassen das Gemeinsame, dass sie auf die Wirklichkeit mit einer unverkennbaren schonungslosen Leidenschaftlichkeit einwirken wollten. (592)

Ulrich ist ein gläubiger Mensch, der bloss nicht glaubt.
Sein Weg zum Glauben musste eine für Kraftfahrzeuge befahrbare Strasse sein. Sein Glaube war mit Wissen verbunden, und dieses Wissen ist längst morsch und hat den Glauben mit in die Verwesung gezogen.
Die Entrücktheit des aussenstehenden Beobachters hat Ulrich mit einer einsamen Leere umschlossen. Ulrich leidet unter seiner Haltlosigkeit
,

... ich bin für nichts unbegabter wie für mich selbst. (274)

... aber er kam sich jetzt nur noch wie ein durch die Galerie des Lebens irrendes Gespenst vor, das voll Bestürzung den Rahmen nicht finden kann, in den es hineinschlüpfen soll, ... (648).

Ulrich hatte offenbar so lange an einem Leben ohne innere Bestimmung festgehalten, dass er nun sogar einen Geisteskranken um seine Zwangsvorstellungen beneidetete. Moosbrugger (der Triebmörder) lockte ihn.
Ulrich sehnte sich manchmal danach, in Geschehnisse verwickelt zu sein, wie in einen Ringkampf, seien es sinnlose oder verbrecherische, nur gültige sollten es sein. Ulrich sagte zu seiner Schwester:

Als ich dich vorhin stehen sah, ... hatte ich ein wildes Bedürfnis, plötzlich etwas zu tun. Ich habe ja früher manchmal wirklich etwas Unüberlegtes getan; der Zauber besteht darin: wenn es geschehen war, so war, neben mir, noch etwas da. Manchmal kann ich mir denken, dass ein Mensch sogar durch ein Verbrechen glücklich wird, weil es ihm einen gewissen Ballast gibt, und dadurch vielleicht eine stetigere Fahrt. (742)

Nur Berührung scheint dem Schwebezustand entgegen zu wirken. Ulrich sucht in der Sexualität jene Berührung. Es kommt zum Inzest mit seiner Schwester. Aber die Geschwisterliebe führt noch tiefer ins Ausweglose.
Ulrichs Entwicklung hatte sich in zwei Bahnen zerlegt, eine am Tag liegende und eine dunkel abgesperrte. Es ist ihm nicht gelungen, diese beiden Bahnen zu vereinen. Einerseits fordert Ulrich Exaktheit, Genauigkeit, eine Anwendung der Rationalität auf Angelegenheiten des Lebens, andererseits ist ihm eine Ahnung von Mystik und Natur. Diese unmögliche Verbindung hat sich ihm zuletzt in dem gespannten Verhältnis von Literatur und Wirklichkeit, von Gleichnis und Wahrheit dargestellt.

ist das Gesetz des wachen Denkens und Handelns, ... , und sie entspringt der Notdurft des Lebens, die zum Untergang führen würde, wenn sich die Verhältnisse nicht eindeutig gestalten liessen. Das Gleichnis dagegen ist die Verbindung der Vorstellungen, die im Traum herrscht, es ist die gleitende Logik der Seele, der die Verwandtschaft der Dinge in den Ahnungen der Kunst und Religion entspricht; aber auch was es an gewöhnlicher Neigung und Abneigung, Übereinstimmung und Ablehnung, Bewunderung, Unterordnung, Führerschaft, Nachahmung und ihren Gegnererscheinungen im Leben gibt, diese vielfältigen Beziehungen des Menschen zu sich und der Natur, die noch nicht rein sachlich sind und es vielleicht auch nie sein werden, lassen sich nicht anders begreifen als in Gleichnissen. Ohne Zweifel ist das, was man die höhere Humanität nennt, nichts als ein Versuch, diese beiden grossen Lebenshälften des Gleichnisses und der Wahrheit miteinander zu verschmelzen. (593)


.
.. wo Ulrich dies dachte, fühlte er, dass sein Leben, wenn es überhaupt Sinn besass, keinen anderen hatte als diesen, dass sich die beiden Grundsphären der Menschlichkeit darin selbst zerlegt zeigten und einander in der Wirkung entgegenstanden (594).
Ulrich unternahm einen unsinnigen, ironischen Versuch, er forderte den Grafen zu einer Generalinventur des Geistes auf, es sei ein „Erdensekretariat der Genauigkeit und Seele“ zu gründen. (597)

Musils Romanprojekt, eine 'ironische Inventur zeitgenössischer Ideen' zu schreiben, wird im MoE durch Ulrich selbst gefordert.
Ulrich meint, es brauche eine Akademie für Gefühlsangelegenheiten.

Liegt es nicht ganz nahe? Wir sehen uns heute vor zuviel Gefühls- und Lebensmöglichkeiten gestellt. Gleicht diese Schwierigkeit aber nicht der, die der Verstand bewältigt, wenn er vor einer Unmenge von Tatsachen und einer Geschichte der Theorie steht? Und für ihn haben wir ein unabgeschlossenes und doch strenges Verhalten gefunden, das ich Ihnen nicht zu beschreiben brauche. Ich frage Sie nun, ob etwas Ähnliches nicht auch für das Gefühl möglich wäre? Wir möchten doch ohne Zweifel darauf kommen, wozu wir da sind, das ist eine Hauptquelle aller Gewalttaten der Welt. (1038)

Ulrich argumentiert für ein Suchen des Gefühls, ähnlich dem wissenschaftlichen Suchen, nur dass es da nicht auf Wahrheit ankäme.


III. Aufbegehren gegen die Moderne

1. Kulturelle Bewegungen

A. Schwärmerische Romantik, romantische Schwärmerei: Diotima

Diotima war die idealistische Gastgeberin der patriotischen Aktion. Ihr Haus wurde zu einem Salon, der in dem Ruf stand, dass „Gesellschaft und Geist“ dort einander begegneten (98).
Diotima hiess eigentlich Hermine Tuzzi. Sie hatte sich aber den Namen Ermelinda eines Tages durch intuitive Eingebung erworben, indem er plötzlich als höhere Wahrheit vor ihrem geistigen Ohre stand.
Diotima erklärte die patriotische Aktion für eine geradezu nie wiederkehrende Gelegenheit, das zu verwirklichen, was man für das Wichtigste und Grösste halte. Diotima dachte nicht an etwas Bestimmtes. Machte man sie darauf aufmerksam, dass es nur allenfalls Komparativ nicht jedoch einen bestimmten Superlativ für sich geben könne, so würde sie voller Misstrauen den anderen als gefühllosen und unidealistischen Menschen bezeichnet haben.
Diotima wollte mit ganzer seelischer Kraft die Einheit von Mensch, Volk und Seele wiederfinden. Hierzu suchte sie nach einer Idee.
Es sollte die ganz grosse Idee verwirklicht werden. Ausschüsse aus allen Kreisen der Bevölkerung sollten behilflich sein, sich inmitten eines materialistischen Treibens auf das Geistige zu besinnen und eine grosse Idee zu finden. Diotima bezeichnete ihr Zeitalter als „seelenlose, bloss von Logik und Psychologie beherrschte Zeit“, und plötzlich wurde dazwischen auch Berlin und der „Schatz von Gefühl“ (94) erwähnt, den das Österreichertum im Gegensatz zu Preussen noch bewahre.
Dem Auseinanderfallen der kakanischen Gesellschaft sollte eine vereinigende, beseelte Kultur entgegengestellt werden. Die schwärmerische Diotima sah darin die Aufgabe der ungebrochenen Frau. Diotima war überzeugt, dass nur die ungebrochene Frau noch jene Schicksalsmacht besitze, die den Intellekt mit Seinskräften zu umschlingen vermöge, was dieser ihrer Ansicht nach zu seiner Erlösung offenbar sehr nötig hatte. Insbesondere der junge Adel fühlte sich durch die Behauptung des unzersplitterten Seins angesprochen.
Parallelaktion versetzte Diotima unter eine Last der Anforderungen, unter der sie beinahe zusammengebrochen wäre, aber nur beinahe.

Dieser Nervenzusammenbruch, der niemals eintrat und immer zitternd in ihrem Körper pochte, schenkte Diotima aber nun ein Glück, das sie noch nicht gekannt hatte. Es war ein Schaudern, ein Überrieseltwerden von Bedeutsamkeit, ein Knistern wie das des Drucks in einem Stein, der im Scheitel des Weltgebäudes sitzt, ... . (227)

Es war Diotimas brennender Ehrgeiz, für die Parallelaktion eine krönende Idee zu finden. Sie hatte die Vorstellung, mit den Mitteln eines ganzen Reichs etwas verwirklichen zu müssen, das die österreichische Kultur in ihrem innersten Wesen zeigen sollte. Diotima war sicher, dass etwas Unvergleichliches geschehen werde. Sie rief ihre vielen Ideale auf; sie tat überhaupt alles, was man in einer solchen Lage tun muss. Aber nachdem einige Wochen in dieser Weise vergangen waren, musste Diotima beobachten, dass ihr keineswegs etwas eingefallen war. Sie hätte Hass gefühlt, wenn sie des Hasses, einer niederen Regung, überhaupt fähig gewesen wäre; sie wurde schwermütig.
Diotima machte sonderbare Erfahrungen mit dem Wesen grosser Ideen.

Es zeigte sich, dass sie in einer grossen Zeit lebte, denn die Zeit war voll von grossen Ideen; aber man sollte nicht glauben, wie schwierig es ist, das Grösste und Wichtigste davon zu verwirklichen, sobald alle Bedingungen dafür gegeben sind, bis auf die eine, was man dafür halten soll. Jedesmal, wenn Diotima sich beinahe schon für eine solche Idee entschieden hatte, musste sie bemerken, dass es auch etwas Grosses wäre, das Gegenteil davon zu verwirklichen. ... .Ideale haben merkwürdige Eigenschaften und darunter auch die, dass sie in ihren Widersinn umschlagen, wenn man sie genau befolgen will. (229)
Diotima hätte sich ein Leben ohne ewige Wahrheiten niemals vorzustellen vermocht, aber nun bemerkte sie zu ihrer Verwunderung, dass es jede ewige Wahrheit doppelt und mehrfach gibt. (229)

Diotima fragte Ulrich:

„Halten Sie es für möglich, dass das, was wir unsere Seele nennen, aus dem Schatten hervortreten könnte, in dem es sich gewöhnlich befindet?“ ... . „In besonderen und bevorzugten Menschen“ ergänzte sie. (566)sie nicht, dass es Zeiten gegeben hat, wo das anders war? Das Innere trat stärker hervor; einzelne Menschen gingen einen erleuchteten Weg; ... und Wunder wurden Wirklichkeit, weil sie nichts sind als eine immer vorhandene andere Art von Wirklichkeit! (566)

Trotz Materlinck und Novalis, trotz der namenlosen Welle von Dünnromantik und Gottessehnsucht, die das Maschinenzeitalter als Äusserung des geistigen und künstlerischen Protestes gegen sich selbst eine Weile lang hervorgebracht hatte, kam Diotima über eine Ahnung des unmittelbar Wahren in sich, nicht hinaus. Es blieb ihr nichts übrig, als dass sie daran die Schuld dem Zivilisationszeitalter zuschrieb, worin der Zugang zur Seele eben verschüttet worden sei.
Diotima gab zuweilen einer materialistischen Geschichtsperiode die Schuld am Verlust der Seele. Der Materialismus habe aus der Welt ein böses, zweckloses Spiel gemacht. Zwischen Atheismus, Sozialismus und Positivismus könne ein seelenvoller Mensch nicht die Freiheit finden, sich zu seinem wahren Wesen zu erheben.
Diotima schloss, wenn sich also die Frage aufdränge, ob die gegenwärtige Zeit und die heutigen Völker überhaupt noch ganz grosser gemeinsamer Ideen fähig seien, so müsse und dürfe man hinzufügen, ob sie überhaupt der erlösenden Kraft fähig seien. Die Erlösung werde aus der Gesamtheit kommen oder gar nicht.
Die Gesamtheit ist für den Ruf nach Einheit unabdingbar, die völkische Gesamtheit insbesondere für den Vielvölkerstaat Kakanien.
Das Hoffen und Warten auf Erlösung ist ein Motiv der Spätromantik. In Wagners Parzifal z.B. kommt der thorhafte, unwissende Erlöser aus dem Wald, um nach Entsagung der Sünde und wildem Kampfe dem Männerorden die Erlösung von Sünde und Siechtum zu bringen.
Gegen Ulrichs rationelle Kritik entgegnete Diotima, Verstand beweise gar nichts, Gedanken würden nicht bis an die Seele reichen, und über der Genauigkeit gäbe es ein Reich der Weisheit und Liebe. Die Wahrheit schwimme wie ein Fisch in einem unsichtbaren Prinzip, sobald man sie herausgreife, sei sie tot.


B. Populärnietzscheanismus: Clarisse und ihr Ehemann Walter und der Gast Meingast

Die Nietzsche-Anhängerin Clarisse zitierte jene Stelle, wo Nietzsche von der Verarmung durch den Verfall des Willens spricht. Die Verarmung zeige sich in einem Wuchern der Einzelheiten auf Unkosten des Ganzen.

Das Leben in die kleinsten Gebilde zurückgedrängt, der Rest arm an Leben. (607)

Clarisses Ehemann Walter sah in diesem Zitat eine ausgezeichnete Beschreibung Ulrichs,

... angefangen von der Überbewertung der Einzelheiten, wie sie dem modernen Erfahrungs-aberglauben eigentümlich ist, bis zu der Fortsetzung dieses barbarischen Zerfalls in das Ich hinein, was er [Ulrich] einen Mann ohne Eigenschaften oder Eigenschaften ohne Mann genannt hatte, ... . (610)

Die zunehmend wahnhafte Clarisse will dem Massencharakter der Zeit und dem zersplitternden Zug der Geschichte die Kraft des eigenen Ichs entgegensetzen. Gestützt auf populär nietzscheanisches Donnergrollen appelliert Clarisse auch wider die Erkenntnis auf die vom Willen gestählte Vision. Der Lauf der Zeit soll durch den Willen des grossen Einzelnen gewendet und erlöst werden.
Clarisse bewundert den Triebmörder Moosbrugger. Moosbrugger hatte sich kraft seines Wahnes über alle Konventionen hinweggesetzt. Sein Wahn war ihm Wille und einziges Mass.
Clarisse als Karikatur einer Nietzscheanerin sah in einer wahnhaften Ergriffenheit eine Kraft.

... sie verstand unter „verrückt“ etwa so viel, wie einem Wetterleuchten ähnlich zu sein oder sich in einem solchen hohen Zustand von Gesundheit zu befinden, dass es andere erschreckt, ... . (656)

Zu Besuch bei Clarisse und Walter ist ein an seinem Buch schreibender Sendbote aus Zarathustras Bergen, der Nietzscheaner Meingast. Meingast selbst meint über sein Buch,

... man sollte dieses Werk nicht ein Buch nennen dürfen, sondern einen Rüstungsbefehl für den Geist neuer Männer! (782)

Menschen wie Meingast sind für Walter Heilbringer.

Heil heisst doch ursprünglich soviel wie ganz, .... . ... Heilbringer mögen sich irren, aber sie machen uns ganz! (784)

Meingast unterstützt Clarisse in ihrem Wunsch, Moosbrugger zu besuchen. Er erklärt, man dürfe Clarisses Verhalten nicht intellektuell kritisieren.

Aber die Intellektualität ist, wie wir wissen, nur der Ausdruck oder das Werkzeug eines ausgetrockneten Lebens; dagegen kommt das, was Clarisse ausdrückt, wahrscheinlich schon aus einer anderen Sphäre: der des Willens. Clarisse wird das, was ihr zustösst, voraussichtlich niemals erklären können, wohl aber wird sie es vielleicht lösen können; und sie nennt das schon ganz richtig ‘erlösen’, ... . (834)

... es fällt dem Philosophen nicht leicht, auf die Erkenntnis zu verzichten, aber es ist wahrscheinlich die grosse werdende Erkenntnis des zwanzigsten Jahrhunderts, dass man es tun muss. (834)

Der Erlösungsgedanken sei immer antiintellektuel gewesen,

Also ist nichts der Welt heute mehr zu wünschen als ein guter kräftiger Wahn ... . (834)

Der nietzscheanische Prophet Meingast legt dar, dass Menschen, die die Welt erklären und verstehen wollten, niemals die Welt verändern würden.

‘Wahr' und 'Falsch', das sind die Ausreden derer, die nie zu einer Entscheidung kommen wollen. Denn die Wahrheit ist ein Ding ohne Ende. (918)

Meingast will kein skeptisches Hinterfragen, kein analytisches Verstehen, sondern fordert auf zum tätigen Gestalten. Das grosse Individuum müsse handeln und entscheiden. Die lähmende Gleichmacherei durch die Schwachen und Mittelmässigen, die Beugung alles Grossen sei zurückzuschlagen. Es gelte, die Welt fruchtbar zu machen durch den Pflug der grossen Tat. Dazu gehöre das Setzen und Durchsetzen klarer Werte.

Meingast sagte, die Frage nach dem Erlöser sei eine der zeitgemässesten Ideen.


Wir sind nicht imstande, uns selbst zu befreien, daran kann kein Zweifel bestehen; wir nennen das Demokratie, aber diese ist bloss der politische Ausdruck für den seelischen Zustand des ‘Man kann so, aber auch anders’. Wir sind das Zeitalter des Stimmzettels. ... , und dass wir die positive Wissenschaft zu unserem geistigen Ideal gemacht haben, heisst nichts anderes als den Stimmzettel den sogenannten Tatsachen in die Hand zu drücken, damit sie an unser Statt wählen. Das Zeitalter ist unphilosophisch und feig; es hat nicht den Mut zu entscheiden, was wert und was unwert ist, und Demokratie, auf das knappste ausgedrückt, bedeutet: Tun, was geschieht ! (832 f.)

Der Nietzscheaner beschwört die Sünde des Jahrhunderts, die Unklarheit des Willens. Die Zeit verlaufe nach der Bequemlichkeit der Masse. Gegen die Selbstzufriedenheit der Masse erklärt der popularisierte Nietzsche den heiligen Krieg. Der Übermensch habe diesem heillosen Treiben ein Ende zu setzen, und sei es durch Gewalt.eifert seinem Meister Meingast nach, man solle nur in reinen Farben malen.

Man muss Schluss machen mit dem Gebrochen - Verwischten, den Zugeständnissen an die leere Luft, an die Feigheit des Blicks, der nicht mehr zu sehen gewagt hat, dass jedes Ding einen festen Umriss und eine Lokalfarbe hat... . (835)

Die prophetischen Worte seines Meisters nachsagend, meinte Walter klar, die Notwendigkeit der Zeit zu erkennen,

... die Notwendigkeit, dass man an die Stelle des passiven, bloss intellektuellen und sensiblen, Verhaltens des Gegenwartsmenschen wieder „Werte“ setzen müsse; die Intelligenz der Zeit habe nirgends mehr einen festen Punkt übrig gelassen, und da könne also nur noch der Wille, ja, wenn es nicht anders ginge, sogar nur die Gewalt, eine neue Rangordnung der Werte schaffen, in der der Mensch Anfang und Ende für sein Inneres finde... . (837)

Walter schlägt die Trommel gegen den Relativismus. Feste Werte sollen der Bodenlosigkeit der Freiheit Grenzen setzen. Eine Rangordnung solle wieder Führung in die Geschehnisse bringen. Es gelte, wieder zur Einfachheit zurückzufinden, und sei es durch Gewalt.

Musil karikiert die nietzscheanische Bewegung als eine schwärmerische, militante, antimodernistische Bewegung mit ausgeprägter Ich-Zentriertheit. Es ist naheliegend, diese Bewegung auch gegen Nietzsches Werk als Reaktion auf die Komplexheit der Moderne zu verstehen. Die Sehnsucht nach Reduktion von Komplexität treibt zur Suche nach Einheit und letzten Werten.
Nietzsche war Gegner der Massengesellschaft und insbesondere ihrer ‘demokratischen Gleichmacherei’. Nietzsche postulierte die Pflicht der ‘grossen’ Menschen, ihre Vorrechte für sich zu beanspruchen. Nietzsche forderte das heroische Gestalten des Lebens durch Kraft und Willen. Aber Nietzsche war auch der grosse Zertrümmerer von althergebrachten Werten. Der befreiende Charakter von Nietzsches Werk findet im Roman keinen Ausdruck.

C. Nationale, rassistische, antisemitische Bewegungen: Christgermanischer Kreis junger Leute
Im Roman wird ein Kreis junger Leute um Gerda und Hans beschrieben. Dieser Kreis war eine jener unzähligen, kleinen Geistessekten, von denen es in der deutschen Jugend seit dem Zerfall des humanistischen Ideals wimmelte.

Sie waren keine Rasseantisemiten, sondern Gegner der „jüdischen Gesinnung“, worunter sie Kapitalismus und Sozialismus, Wissenschaft, Vernunft, Elternmacht und -anmassung, Rechnen, Psychologie und Skepsis verstanden. (313)

Sie lasen gemeinsam Stephan George und schrieben auf ihr Banner: das Wahre, Reine und Ganze. Ihr Anliegen war nüchtern nicht auszudrücken, erstens weil es sich in nüchternen Worten nicht ausdrücken liess und zweitens weil Arier nicht nüchtern sein dürfen. Sie grenzten sich von Nietzsches Ichsucht ab, denn ihnen war Gemeinschaft ideeller Inhalt.

Wahre Gemeinschaft ist das Wirken eines inneren Gesetzes, und das tiefste, einfachste, vollkommenste und erste ist das Gesetz der Liebe. Wie schon bemerkt worden, nicht Liebe im niederen, sinnlichen Sinn; denn körperlicher Besitz ist eine mammonistische Erfindung und wirkt nur trennend und entsinnend. (482 f.)
So stritten sie im Namen der Liebe gemeinsam über alles. (483)

In einem Streitgespräch griff Hans, der Sprecher jener Gruppe, Ulrich an.
Hans forderte Ulrich auf:

„Nennen Sie mir einen einzigen festen, letzten Wert, nach dem zum Beispiel Sie sich in ihrem Leben richten!“
... ; aber Ulrich fragte Hans: „Sind Sie wirklich niemals imstande, ohne einen letzten Wert zu leben?“
„Nein“ sagte Hans. „Aber ich gebe Ihnen zu, dass ich deshalb unglücklich sein muss.“
„Der Teufel soll Sie holen!“ lachte Ulrich. „Alles, was wir können, beruht darauf, dass wir nicht allzu streng sind und auf die höchste Erkenntnis warten; das Mittelalter hat das getan und ist unwissend geblieben.“
„Das ist sehr die Frage“ antwortete Hans Sepp. „Ich behaupte, dass wir unwissend sind!“
„Aber Sie müssen zugeben, dass unsere Unwissenheit offenbar eine äusserst glückliche und abwechslungsreiche ist.“
Aus dem Hintergrund brummte eine gelassene Stimme: „Abwechslungsreich! Wissen! Relativer Fortschritt! Das sind Begriffe der mechanischen Denkweise einer vom Kapitalismus zerfaserten Zeit!“ (484)

Hans erläuterte,
..., dass der Grad der wahren Originalität nicht im eitlen Besonderssein beschlossen liege, sondern durch das Sichöffnen entstehe, in steigende Grade des Teilnehmens und der Hingabe hinein, vielleicht bis zu dem höchsten Grad einer Gemeinschaft der ganz von der Welt aufgenommenen, vollendet Ichlosen,...! (557)

Hans hatte dafür unermesssliche Worte:

...; das transzendente an Stelle des Sinnenichs, das gotische Ich an Stelle des naturalistischen, das Reich der Wesenheit an Stelle der Erscheinung, das unbedingte Erlebnis und ähnliche gewaltige Substantiva, ... . (557 )

Hans kam schliesslich auf das Germanische zu sprechen, und nach dem Muster „Gute alte Zeit“ gelang es ihm, bequem zu erklären,

..., dass das dauernde Ergreifen des Wesenhaften der Vergangenheit angehöre und der Gegenwart entzogen sei, ... . (557).

Ulrich war ärgerlich über dieses abergläubische Geschwätz. Für Ulrich hatte Hans die ganze Zeit über, wenn auch zum Teil in sehr gewaltsamen Einkleidungen, von nichts als Liebe gesprochen. Ulrich sagte über diesen Zustand der Liebe:

„Man versteht in diesem Zustand,“ sagte er „wo man aus den Grenzen tritt, die dem Verhalten sonst gezogen sind, alles, weil die Seele nur das annimmt, was zu ihr gehört; in gewissem Sinn weiss sie alles schon vorher, was sie erfahren wird. Liebende können sich keine Neuigkeiten sagen; es gibt auch kein Erkennen für sie. Denn der Liebende erkennt von dem Menschen, den er liebt, nichts, als dass er in einer unbeschreiblichen Weise durch ihn in innere Tätigkeit versetzt wird.“ (558)
„Darum gibt es auch keine Wahrheit für Liebende; sie wäre eine Sackgasse, ein Ende, der Tod des Gedankens, der, solange er lebt, dem atmenden Rand einer Flamme gleicht, daran Licht, und Dunkel Brust an Brust liegen. Wie kann etwas Einzelnes einleuchten, wo alles leuchtet?!“ (559)

Hans entzieht sich Ulrichs Entgegnung durch den Hinweis, dass das Wesenhafte dem Verstand nicht zugänglich sei. Hans behauptet:

„Alles in allem“ sagte er „haben Sie den grössten Fehler begangen, den man überhaupt begehen kann, indem Sie versuchen, es in Begriffen auszudrücken, was einen Gedanken zuweilen um ein Etwas über die Begriffe hebt; aber das ist wohl der Unterschied zwischen einem Herrn von der Gelehrsamkeit und uns. Erst muss man es leben lernen, und dann lernt man es vielleicht denken!“ (562)
Auch diese Jugendkultur hatte eine Erlöser-Hoffnung.

Vielleicht müsse erst ein Mensch kommen, der die anderen aus ihrer Verfangenheit erlöse, ehe das Höchste gelingen könne! Es erschien ihm [Hans] nicht ausgemacht, dass keinesfalls er dieser Erlöser sein könnte, aber das war seine Sache, und davon abgesehen bestritt er, dass der gegenwärtige Tiefstand imstande sei, einen hervorzubringen. (562)


2. Rechtshistorischer Aspekt: Kritik am Positivismus und Relativismus

Der Ruf nach festen Werten, das Sehnen nach einem metaphysisch-religiösen Sinn findet im materialistischen Positivismus keine Antwort. Der Positivismus nimmt keine inhaltliche Wertung vor, sondern lässt Geltung nur nach Bedingung der Normsetzung zu.
Der wissenschaftliche Positivismus rechtfertigte die Verdrängung der Philosophie durch die Natur- und Sozialwissenschaften.
Der Rechtspositivismus hatte die Behauptung eines metaphysischen Hintergrundes des Rechts fallen gelassen, an ihrerstatt begründete die Rechtsquelle, d.h. das Verfahren der Normsetzung, dem Recht Legitimität. Die Rechtsbegründung beschränkt sich auf das Gesetztsein durch den Gesetzgeber. Die Rechtsbegründung verweilt so innerhalb des Rechtsdiskurses, mindestens solange wie die Legitimität der Setzung an und für sich nicht hinterfragt wird. Die Tendenz zu formalen Kriterien der Rechtsgeltung wurde durch das Sicherheitsbedürfnis des liberalen Bürgertums verstärkt.
Die Frage nach der Normsetzung berührt nicht den Rechtsinhalt, deshalb ist dem Positivismus eine gewisse inhaltliche Relativität eigen. Der Relativismus verneint das Bestehen vorgegebener Werte. Er mag Folge der Akzeptanz des Auflösungsprozesses der Modernisierung sein. Der politische Ausdruck des Relativismus ist die Demokratie, ein Verfahren, das für sich keine Wertsetzung behauptet (ausser der Wertschätzung für die Demokratie selbst). Demokratie folgt aus dem Relativismus.
Antimodernistische Bewegungen haben sich dem Kampf gegen den Positivismus und Relativismus verschrieben. Sie wollen nicht auf eine einheitliche, allgemeine Wertsetzung verzichten. Sie widersetzen sich einem „skeptischen Relativismus und damit auch einer Zersetzung aller bis dahin verbindlich gehaltener Lebensformen.“ Der Positivismus wird verurteilt als eine wissenschaftliche Ansicht, für die die Welt kein Organismus, keine Ganzheit oder Gestalt, keine Manifestation eines schöpferischen Geistes, kein Symbol des Absoluten darstelle. braucht in seiner Kritik an der Reinen Rechtslehre ähnliche Formulierungen wie die Antimodernisten im Roman:
„Für Kelsen sind Recht und Staat in keiner Weise mehr Realitäten, überindividuelle Wesenheiten, sondern lediglich Bezeichnungen für Vorstellungen, die von der Rechtswissenschaft gemäss einer frei gesetzten Grundnorm entwickelt werden. Das ist der ganze Sinn der „Reinen Rechtslehre“. Sie ist so nichts weiter als ein auf die Spitze getriebener juristischer Nominalismus, der jede sittlich-geistige Substanz des Rechts und des Staates leugnet und mit seinem rücksichtslosen Formalismus alle tieferen Bindungen des Einzelnen an überpersönliche Werte zerstört, die Gemeinschaft auflöst. Sie ist politischer Nihilismus, philosophischer Ausdruck jener politischen Zersetzung, die in der liberalen Demokratie der Nachkriegszeit ihren Höhepunkt erreicht hatte.“
Den antimodernistischen Bewegungen war die Demokratie das zum Staat erhobene System der Zersplitterung des Geistes. Die Demokratie wurde als Unentschiedenheit und als Ausdruck der Feigheit abgelehnt. Das Zeitalter habe den Mut nicht mehr, an allgemein verpflichtende politische Werte zu glauben (als wäre die Demokratie kein solcher!).
Ob unter dem Banner der Gemeinschaft von Volk oder Rasse oder unter der Führung eines grossen Individuums, ob unter der Vision eines kraftvollen Ideales oder nach einer metaphysischen Ahnung, allen diesen Ansätzen ist das Fassen der Wirklichkeit in einem totalitären Rahmen eigen. Die Welt soll auf ein zwingendes, vereinend- und ausgrenzendes Wir bzw. Es reduziert werden.
Oft sahen diese Bewegungen in der Rationalität die Grundlage des zersetzenden Übels. Rationalität schafft Unterscheidung, differenziert, analysiert und wird so jedem vereinheitlichendem Ansatz gefährlich.
Der Gegenbegriff der Unterscheidung ist die Irrationalität. Sie ist ein Negativbegriff, sie ist ihrem eigenen Inhalt nach sehr unbestimmt. Diese Unklarheit eröffnet unterschiedlichste Projektionsflächen und eignet sich zur Instrumentalisierung und Manipulation.


IV. Die grosse patriotische Aktion, genannt Parallelaktion

1. Die grosse patriotische Aktion, die Parallelaktion

Die patriotische Aktion war die geplante Veranstaltung zum Jubiläum der 70 jährigen Thronbesteigung Franz Josefs, des Kaisers und Königs Kakaniens, im Jahre 1918. Sie wurde Parallelaktion genannt, da die Deutschen im gleichen Jahr das 30 jährige Regierungsjubiläum Wilhelms II. begehen würden. Nun wollte sich Wien etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um ja nicht in den Schatten Deutschlands zu geraten.
Die Parallelaktion, an der die verschiedenen Kräfte und Geister des Reiches teilnehmen sollten, bildet eine Plattform des Romans. Es treffen sich Menschen auf der Suche nach der grossen Idee.
Bei der ersten Sitzung erläutert Graf Leinsdorf:

„Was uns zusammengeführt hat,“ sagte Graf Leinsdorf „ist die Übereinstimmung darin, dass eine machtvolle, aus der Mitte des Volks aufsteigende Kundgebung nicht dem Zufall überlassen bleiben darf, sondern eine weit vorausblickende und von einer Stelle, die einen weiten Überblick hat, also von oben kommenden Einflussnahme erfordert. (169)

Im weiteren führt er aus, sie wollten der Welt nicht nur ihre Liebe zeigen, sondern auch, dass die österreichisch-ungarische Monarchie fest wie ein Felsen um ihren Herrscher geschart stehe.


2. Kakanien

Ein schwieriges Unternehmen, denn der Felsen zeigte nicht zu verbergende Risse. Die undankbaren Völker Österreichs strebten nach Freiheit. Die Zentrifugalkraft des Nationalismus zog und zerrte am alten Staat. Viele Bürger Kakaniens nannten sich einfach Tschechen, Polen, Slowenen oder Deutsche,

..., und damit begannen jener weitere Zerfall und jene bekannten, „unliebsamen Erscheinungen innenpolitischer Natur“, wie sie Graf Leinsdorf nannte, die nach ihm „das Werk unverantwortlicher, unreifer, sensationslüsterner Elemente“ waren, die in der politisch zu wenig geschulten Masse der Bewohner nicht die nötige Zurückweisung fanden. (170)
Die beiden Teile Ungarn und Österreich passten zu einander wie eine rot-weiss-grüne Jacke zu einer schwarz-gelben Hose. Kakanien war ein Wesen, das keinen Begriff von sich hatte,
so wird man verstehen,

..., dass es [das Wesen] unter Umständen vor seinem eigenen Schwanz eine heillose Angst bekommen kann, in solchem Verhältnis zu einander befanden sich aber die Kakanier und betrachteten sich mit dem panischen Schreck von Gliedern, die einander mit vereinten Kräften hindern, etwas zu sein. (451)

Es gab kein kakanisches Staatsvolk, es hätte erfunden werden müssen. Die Bevölkerung aber nannte das Reich ganz öffentlich ein Gefängnis, aus dem sie erlöst sein wollte. Kakanien hatte etwas Unwirkliches, an die Stelle der Geschichte Kakaniens war die der Nationen getreten. Aber das Eigentümliche an diesem Staat war, dass es dort keinerlei Revolutionen und Umstürze bedurfte, weil alles mit der Zeit anfing, in einer natürlichen, ruhig pendelnden Entwicklung vor sich zu gehen, einfach kraft der Unsicherheit der Begriffe, und zum Schluss gab es in Kakanien nur noch unterdrückte Nationen und einen obersten Kreis von Personen, die die eigentlichen Unterdrücker waren und sich masslos von den Unterdrückten gefoppt und geplagt fühlten.
Dieses Auseinanderfallen, die Endzeit des Vielvölkerstaates wiederspiegelt auf Reichsebene den allgemeinen Auflösungsprozess.
Der Adelige Graf Leinsdorf wirft den Bürgerlichen Versagen vor.

„Sehen Sie, ..., unsere Verfassung vom Jahre achtzehnhunderteinundsechzig hat der deutschen Nationalität und in ihr wieder dem Besitz und der Bildung unbestritten die Führung im versuchsweise eingeführten Staatsleben gegeben. Das war ein grosses, vertrauensvolles und vielleicht sogar nicht ganz zeitgemässes Geschenk der Generosität Seiner Majestät; denn was ist seither aus Besitz und Bildung geworden?!“ (842)

Die Bildung hat dem Besitz nicht das Gleichgewicht gehalten, ...! (846)
Besitz und Bildung hätten an die Seite des Adels treten sollen. (846)


3. Die Suche nach der Idee

Die Initianten der Parallelaktion wollten dem Zerfall des Reiches wie der Gesellschaft durch eine verbindende, vereinigende Idee entgegen treten. Das Volk wurde aufgefordert, Ideen zu liefern. Die Ideen kamen aus den verschiedensten Ecken, ob von den Philatelisten, dem Verein der Kriegswitwen oder dem stenographischen Verein. Eine Welle von auseinandergehenden Vorschlägen antwortete dem Ruf der Parallelaktion.

Von den einströmenden Ideen hat Ulrich, als Sekretär der Parallelaktion, zwei Mappen angelegt.

„Ich habe eine davon mit der Überschrift ‘Zurück zu ...’ versehen. Merkwürdig viel Menschen teilen uns nämlich mit, dass die Welt in früheren Zeiten auf einem besseren Punkt gewesen sei als jetzt, zu dem sie die Parallelaktion bloss zurückzuführen brauchte. Wenn ich von dem selbstverständlichen Verlangen Zurück zum Glauben absehe, so ist noch ein Zurück zum Barock, zur Gotik, zum Naturzustand, zu Goethe vertreten, zum deutschen Recht, zur Sittenreinheit und etliches andere.“ (233)

„Aber das Erschwerende ist, dass wir ja auch kein brauchbares Vorwärts haben. Gestatten Sie mir, es als eine merkwürdige Lage zu bezeichnen, wenn es weder vorwärts noch zurück geht und der gegenwärtige Augenblick auch als unerträglich empfunden wird.“ (272)

Ulrich bezweifelte, ob aus der Parallelaktion etwas werden würde. Er war skeptisch gegen den vereinheitlichenden Ansatz.

„Es gibt mehrere tausend Berufe, in denen die Menschen aufgehen; dort steckt ihre Klugheit. Wenn man aber das allgemein Menschliche und allen Gemeinsame von ihnen verlangt, so kann eigentlich nur dreierlei übrigbleiben: Die Dummheit, das Geld oder höchstens ein wenig religiöse Erinnerung!“ (175)

Zum vornehmlich Österreichischen meint der General Stumm von Bordwehr, seine Stimme erheben zu müssen. Der Gedanke des Staates sei nun einmal der Gedanken der Macht, so dass eine breite, volkstümliche Teilnahme an den Fragen des Heeres und seiner Bewaffnung, insbesondere der Artillerie, ein sehr würdiges Ziel einer patriotischen Aktion wäre. Die tiefsinnigen Vertreter und Vertreterinnen des Geistes wendeten sich zumindest vorerst von dieser stampfenden Richtung ab, ohne ihr aber etwas entgegenstellen zu können.

„Natürlich brauchen wir die Kanonen,“ (1009) ereiferte sich der General. Einem Zusammengehen in dieser Frage mit dem anwesenden Grossindustriellen schien der General nicht abgeneigt. Auch wusste der General, zu den geistig veranlagten Teilnehmern der Parallelaktion eine Brücke zu schlagen.

„..., und da frage ich Sie: was nützen Kanonen ohne Geist!“ (1009)

Der General erklärte, in der Aufrüstungsbewegung würde der Zeitgeist integriert, sowohl Pazifismus als auch der nach der starken Hand rufende Militarismus würden darin aufgenommen. Genau genommen gäbe es keinen Widerspruch zwischen Militarismus und Pazifismus.

„Auch die andere Strömung will natürlich den Menschen lieben; nur meint sie, dass man ihn dazu vorher mit Gewalt umbilden muss: es ist das sozusagen bloss ein technischer Unterschied.“ (1011)

Der General wusste genau, was er mit diesen Worten meinte, nicht genau wusste er bloss, was er mit ihnen sagte, denn um solche zivile Worte ist ein Plus wie dicke Handschuhe, in denen man aus einer Schachtel Zündhölzer ein Einzelnes zu fassen sucht.


4. Der Ruf nach der Tat/ Krieg als Telos des Romanes

Ulrich hatte Diotima neckend gewarnt, dass die Befreiung des Seele von der Zivilisation wohl Schwierigkeiten machen würde. Ulrich sagte voraus, dass Diotimas Bemühungen, dem Geist eine Gasse in die Welt zu bahnen, schmerzlich zusammenbrechen würden. Nachdem die leidende Diotima schliesslich selbst die Unerfüllbarkeit ihres Anspruchs erkennen musste, wandte sie sich tatkräftigeren Vorstellungen zu. Sie erklärte Ulrich:

„Unser Jahrhundert dürstet nach einer Tat. Eine Tat -“
„Aber welche Tat! Welche Art Tat?!“ unterbrach Ulrich.
„Ganz gleich! In der Tat liegt ein grossartiger Pessimismus gegenüber den Worten: ...“ (812)

antwortete Diotima. Schnell hatte Sie ihren Fehler eingesehen und sich von der befreienden Dynamik der Tat überzeugen lassen.

„Wir haben für ewige und grosse Worte und Ideale gelebt; für eine Steigerung des Menschlichen; ... .“ (812)

„... und ich will nicht leugnen, dass das Suchen nach Wahrheit ein Kinderspiel ist gegen den ungeheuren Ernst, selbst eine Warhheit zu werden: Aber es war eine Überspannung gegenüber dem gegenwärtigen geringen Wirklichkeitsgehalt der Seele, und wir haben in einer traumhaften Sehnsucht sozusagen für nichts gelebt!“ (812)

„Es ist etwas Gesundes daran, wenn man heute darauf verzichtet, den verschütteten Eingang zur Seele zu suchen, und lieber danach trachtet, mit dem Leben fertig zu werden, wie es ist!“ (812)

Auch Diotima hatte die Parole der Tat ergriffen.
Der General berichtete von einem Stimmungsumschwung in der Parallelaktion:

„Die Leute ... sagen, die Zeit bekommt einen neuen Geist. .... Und dieser Geist soll nicht viel Gedanken enthalten. Auch Gefühle sind jetzt nicht an der Zeit. Gedanken und Gefühle, das ist mehr für Leute, die nichts zu tun haben. Mit einem Wort, es ist halt ein Geist der Tat, mehr weiss ich auch nicht. Aber zuweilen“ fügte der General nachdenklich hinzu „habe ich mir schon gedacht, ob das nicht am Ende ganz einfach der militärische Geist ist?!“ (778)

Gegen die Schwemme der Ideen schallte der Ruf nach der Tat, und
allein das Militär in seinem Rüstungshunger bot Hand zu konkreten und ergreifenden Taten.

„Also jedenfalls“, schloss der General „es sind in der Tat Stimmen laut geworden, die es als das Einfachste bezeichnet haben, wenn man nicht mehr lang hin und her reden würde, sondern sich für ein militärisches Vorhaben entschlösse. Ich persönlich möchte ja meinen, dass man das noch mit einer zweiten, vielleicht irgendeiner grossen Zivilidee verbinden könnte, ... .“ (585 f.)

Ulrich sah den Selbstzweck der Tatsucht.

Unser Zeitalter trieft ohnehin von Tatkraft. Es will nicht mehr Gedanken, sondern nur noch Taten sehen. (740 f.)
Es ist so einfach, Tatkraft zu haben, und so schwierig, einen Tatsinn zu suchen! Das begreifen heute die wenigsten. Darum sehen die Tatmenschen wie Kegelspieler aus, die mit den Gebärden eines Napoleons imstande sind, neun hölzerne Dinger umzuwerfen. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn sie am Ende gewalttätig übereinander herfielen, bloss wegen der ihnen über den Kopf wachsenden Unbegreiflichkeit, dass alle Taten nicht genügen! (741)

Der General betonte, dass es die Pflicht Österreichs sei, nicht hinter dem militärisch aufrüstenden Deutschland zurückzubleiben.
Der Rauch der patriotischen Friedensidee roch nach Pulver.
Es zeigte sich, dass der Grossindustrielle, hoch geistige Dr. Arnheim mit der Vision „Ideen in Machtsphären zu tragen“ nicht nur geistige Ideen gemeint hatte. Arnheim hatte grosses Verständnis für die militärische Vision des Generals. Handfeste Interessen an den gallizischen Ölfeldern schienen seinem Engagement für die Parallelaktion zumindest förderlich. Die Ölfelder waren militärisch gegen Russland abzusichern, was mit einem Auftrag für Panzerbleche verbunden werden konnte.
Die beseelte Suche nach Einheit und gemeinsamen Werten führte schliesslich auf die Schlachtfelder des ersten Weltkrieges.


IV. Der Fall Moosbrugger

1. Moosbrugger

Moosbrugger war ein Sexualverbrecher, er hatte die Prostituierte Hedwig erstochen und verstümmelt. Er wurde für zurechnungsfähig erklärt und zum Tode verurteilt. Die Gerichte wollten nicht auf den Bösewicht verzichten und Moosbrugger aus der rechtlichen Welt in die der Kranken entlassen. Die Psychiater, die Moosbrugger schon ebenso oft für gesund wie für unzurechnungsfähig erklärt hatten, stimmten darin überein.
Schon nach dem ersten Mädchenmord erklärte Moosbrugger, dass er von Geistern verfolgt werde, die ihn bei Tag und Nacht riefen. Die Geister warfen ihn aus dem Bett, wenn er schlief, und störten ihn bei der Arbeit. Er hörte sie tags und nachts miteinander sprechen und streiten.

Er war ersichtlich krank; aber wenn auch offenbar seine krankhafte Natur den Grund für sein Verhalten abgab, die ihn von den anderen Menschen absonderte, ihm kam das wie ein stärkeres und höheres Gefühl von seinem Ich vor. Sein ganzes Leben war ein zum Lachen und Entsetzten unbeholfener Kampf, um Geltung dafür zu erzwingen. (71)

Moosbrugger musste aus seiner eigenen Notwendigkeit Gewalt anwenden. Vor Gericht vertrat er seine Wirklichkeit.
Im Grund empfand seine geschmeichelte Eitelkeit diese Verhandlungen als die Ehrenzeiten seines Lebens. Moosbrugger hasste die Psychiater, die sein eigenes Wesen mit ein paar Fremdwörtern abtun wollten. Er fühlte sich ihnen überlegen. Moosbrugger leugnete seine Taten nicht, er wollte sie als Unglücksfälle einer grossen Lebensauffassung verstanden wissen.

Für den Richter war Moosbrugger ein besonderer Fall; für sich war er eine Welt, und es ist sehr schwer, etwas Überzeugendes über eine Welt zu sagen. (75)

Moosbrugger konnte sich nicht ausdrücken, denn seine Aussagen kamen direkt aus dem verwirrten Einsamen seines Lebens. Nur er verstand sein wahres Leben. Ihm war alles nacheinander so natürlich vorgekommen, doch wie sollte er dies dem Gericht vermitteln?
Moosbrugger wollte seine Wahnvorstellungen als Wirklichkeit anerkannt sehen, auch wenn er sich dadurch dem Schuldspruch auslieferte. Er versuchte seine Wahrheit zu vermitteln, ohne deren gesellschaftliche Konsequenzen zu berücksichtigen.
Realität von Moosbruggers Wahn zersetzt den Begriff einer allgemeinen Wirklichkeit.
In Moosbruggers Wahrnehmung hat es keinen Platz für den Schuldbegriff der Richter und Gendarmen. Für ihn kann es keine unabhängige äussere Realität geben. Die Stimmen von aussen waren in seinem Innern, sein Inneres griff wiederum nach dem Aussen. Gewaltsam wurde durch den Mord die Innenwelt zur Aussenwelt. Sein Inneres war zu Realität geworden. Innen ist aussen, aussen innen.
Das Wichtigste war, dass es gar nichts Wichtiges bedeutet, ob etwas draussen ist oder innen; in seinem Zustand war das wie helles Wasser zu beiden Seiten einer durchsichtigen Glaswand. (239)
Er dachte besser als andere, denn er dachte aussen und innen. Es wurde gegen seinen Willen in ihm gedacht. Er sagte, Gedanken würden ihm gemacht. (240)

Gewiss, Moosbrugger nahm nicht immer gleich das Messer; er tat das nur, wenn er nicht mehr anders fertig wurde. Gewöhnlich wendete er eben seine ganze Riesenkraft an, um die Welt zusammenzuhalten. (240 f.)

Moosbruggers Leben war ein Kampf um sein Recht gewesen. Sein Recht war das,
..., was man ihm sein Leben lang vorenthalten hatte. (236)

Moosbrugger versteht Recht, sein Jus, nicht als generelle Normenordnung, sondern als seinen Anspruch, der ihm vorenthalten wurde. Man wollte ihn nicht, und diese Zurückweisung war ein Unrecht. Man hat ihm Unrecht getan, weil man ihm vorenthielt, was sein Jus war.

Die Juristen konnten zwar besser reden als er und hielten ihm alles mögliche entgegen, aber von den wirklichen Zusammenhängen hatten sie keine Ahnung. (238)

Moosbrugger hat sich der rechtlichen Realität zu verantworten, aber Verantwortung ist nur innerhalb eines Gleichen möglich. Eine ausgleichende Vergeltung kann nur geübt werden an dem, dem Gleiches gleich gilt. Durch die Anerkennung von Moosbruggers Zurechnungs-fähigkeit wird die Unterscheidung zwischen der rechtlichen Wirklichkeit und Moosbruggers 'kranken' Wirklichkeit fallengelassen.
Moosbruggers Wahn darf aber nicht Teil einer rechtlichen, generell abstrakten Wirklichkeit sein. Moosbruggers Wahnwirklichkeit muss durch das Gericht wieder beseitigt werden. Moosbruggers Wirklichkeit wird durch die Verhängung der Todesstrafe wieder ausgeschlossen. Die Exekution soll im Nachhinein durch die Beseitigung Moosbruggers zwischen der rechtlichen und Moosbruggers Realität unterscheiden.


2. Verminderte Zurechnungsfähigkeit

A. Ein juristisches Problem

Moosbrugger wäre ein Fall der verminderten Zurechnungsfähigkeit, sowohl minderwertig gesund wie minderwertig krank.

...; natura non fecit saltus, sie macht keinen Sprung, sie liebt die Übergänge und hält auch im grossen die Welt in einem Übergangszustand zwischen Schwachsinn und Gesundheit. Aber die Jurisprudenz nimmt nicht Notiz davon. Sie sagt: non datur tertium sive medium inter duo contradictoria, zu deutsch: der Mensch ist entweder imstande, rechtswidrig zu handeln, oder er ist es nicht, denn zwischen zwei Gegensätzen gibt es nichts Drittes und Mittleres. (242)

Denn wenn man teilweise krank ist, ist man nach Ansicht der Rechtslehrer auch teilweise gesund; ist man aber teilweise gesund, so ist man wenigstens teilweise zurechnungsfähig; und ist man teilweise zurechnungsfähig, so ist man es ganz; denn Zurechnungsfähigkeit ist, wie sie sagen, der Zustand des Menschen, in dem er die Kraft besitzt, unabhängig von jeder ihn zwingenden Notwendigkeit sich aus sich selbst für einen bestimmten Zweck zu bestimmen, und eine solche Bestimmtheit kann man nicht gleichzeitig besitzen und entbehren. (243)

In diesem Sinne zeichnet es den Menschen vor dem Tiere, und man darf hinzufügen, auch vor dem Geisteskranken aus, dass er nach seinen geistigen und sittlichen Eigenschaften imstande ist, rechtswidrig zu handeln und ein Verbrechen zu begehen; und da also erst die Strafbarkeit jene Eigenschaft ist, die ihn zum sittlichen Menschen erhebt, wird es verständlich, dass der Jurist eisern an ihr festhalten muss. (242)

B. Ein medizinisches Problem

Leider tritt noch hinzu, dass die Gerichtspsychiater, die berufen wären, sich dem entgegenzusetzen, gewöhnlich viel ängstlicher in ihrem Beruf sind als die Juristen; sie erklären nur solche Personen für wirklich krank, die sie nicht heilen können, was eine bescheidene Übertreibung ist, denn sie können die anderen auch nicht heilen. Sie unterscheiden zwischen unheilbaren Geisteskrankheiten, zwischen solchen, die mit Gottes Hilfe nach einiger Zeit von selbst besser werden, und endlich solchen, die der Arzt zwar auch nicht heilen kann, wohl aber der Patient vermeiden könnte, vorausgesetzt natürlich, dass durch höhere Fügung rechtzeitig die richtigen Einflüsse und Überlegungen auf ihn einwirken. Diese zweite und dritte Gruppe liefert jene nur minderwertigen Kranken, die der Engel der Medizin zwar als Kranke behandelt, wenn sie zu ihm in die Privatpraxis kommen, die er aber schüchtern dem Engel des Rechts überlässt, wenn er mit ihnen in der Gerichtspraxis zusammenstösst.
Ein solcher Fall war Moosbrugger. (243)

In einer Gesprächsrunde nahmen verschiedene Ärzte zu ihrer Gutachtertätigkeit Stellung, unter ihnen Dr. Pfeifer. Er hatte schon viele seiner Schützlinge dem Henker ausgeliefert.

Es sei eine Utopie, böse Menschen medizinisch heilen zu wollen, meinte Dr. Pfeifer,

„..., und überdies ein Nonsens, denn das Böse ist nicht nur in der Welt vorhanden, sondern auch unentbehrlich für ihren Fortbestand. Wir brauchen böse Menschen, wir dürfen sie nicht alle für krank erklären -“ (1360)
Darauf hatte der junge Assistent gewartet:

„Für einen Naturwissenschafter“ sagte er „gibt es nichts, was seinen Grund nicht in einem Gesetz der Natur hätte. Wenn ein Mensch also ohne vernünftigen äusseren Grund ein Verbrechen begeht, so muss er einen inneren dafür haben. Und den muss ich suchen.“ (1360)

Die Psychiatrie hat generell ein deterministisches Verständnis von Straftätern. Mit ihren Erkenntnissen untergräbt die Psychiatrie die von der klassischen Rechtsschule behauptete Freiheit des Willens.

Ein anderer Arzt meinte:
„Ich rede als Arzt. Wortspaltereien, die vielleicht in der Philosophie oder sonstwo am Platz sein mögen, sind mir widerwärtig!“ (1360)
Es ärgerten ihn jeweils die Zugeständnisse, die er bei Gerichtsgutachten an die unmedizinische Denkart machen musste.
Die Gerechtigkeit ist kein naturwissenschaftlicher Begriff, so wenig wie die aus ihr folgenden Begriffe, und mit Straffähigkeit, freiem Willen, Vernunftgebrauch, Sinnesverrückung und allem ähnlichen, ..., verbindet der Arzt ganz andere Vorstellungen als der Jurist. (1360 f.)

Ein weiterer Arzt meinte, natürlich habe er keine Zweifel, dass Moosbrugger krank sei.
„Aber ich habe doch gar nicht darüber zu urteilen“ verteidigte sich der Arzt. „...: Ich soll beurteilen, ob sein freier Wille bei der Tat ausgeschlossen war, ob sein Bewusstsein während der Tat anwesend war, ob er Einsicht in sein Unrecht besass: lauter metaphysische Fragen, die für mich als Arzt gar nicht so zu stellen sind, bei denen ich aber doch auch auf den Richter Rücksicht nehmen muss!“ (1368)

Nur durch deutliche und bestimmte Zuordnung zu einem bekannten Krankheitsbild könne der Arzt die Person seiner Gutachten dem Gericht entziehen. Ansonsten sind die Ärzte wie die kleinen Geschwister der Gerichte, denen die ältere Schwester nicht erlaubt, so zu reden, wie es ihnen natürlich ist.

„Dem Mediziner ist eben alles Medizin, und dem Juristen alles Jus! Das Gerichtswesen geht letzten Endes von dem Begriff ‘Zwang’ aus, der dem gesunden Leben angehört, aber ohne Bedenken meist auch auf Kranke anzuwenden ist. Ebenso ist aber der Begriff ‘Krankheit’ mit seinen Konsequenzen, von dem wir Ärzte ausgehen, auf das gesunde Leben anwendbar. Das wird niemals unter einen Hut gebracht werden!“ (1365)
„Die menschlichen Wissenschaften haben sich zu verschiedenen Zeiten und zu Zwecken entwickelt, die miteinander nichts zu tun haben. So haben wir von der gleichen Sache die verschiedensten Begriffe. Zusammengefasst ist das höchstens im Konversationslexikon.“ (1365)

Die Zergliederung der Gesellschaft in verschiedene Kommunikationssysteme, die ihre eigene Sprache und Code haben, macht vor der Beurteilung von Menschen nicht halt. Jus und Medizin sind in bestimmten Sachverhalten aneinander gekoppelt, doch sie funktionieren nach verschiedenem Sinn.
Ein Arzt meinte, niemand sei fähig über die Schuld eines Menschen zu entscheiden.

„Wir Ärzte nicht, weil Schuld, Zurechnungsfähigkeit und all das durchaus keine medizinischen Begriffe sind, und die Richter nicht, weil man ohne Kenntnis der wichtigen Beziehungen zwischen Körper und Geist doch auch wieder nicht über solche Fragen urteilen kann.“ (1362)

„Wir können ja einmal deutlich darüber reden, was es bedeutet, dieses: ‘Ich rede als Arzt’, ... : Man legt uns einen aus dem Leben entstandenen ‘Fall’ auf die Klinik; wir vergleichen ihn mit dem, was wir wissen, und den Rest, einfach das, was wir nicht wissen, einfach unsere Unwissenheit, muss der Delinquent verantworten.“ (1362)


C. Verminderte Zurechnungsfähigkeit aus rechtshistorischer Sicht

§ 62 Abs. 2 des Vorentwurfes zum Deutschen Strafgesetzbuch von 1909 anerkennt eine verminderte Zurechnungsfähigkeit. Der Münchner Strafrechtsprofessor Karl Birkmeyer opponierte gegen diese geplante Reform. Er erläutert in seiner Kritik des Strafgesetzbuches, dass die verminderte Zurechnungsfähigkeit, wenn sie auch nicht direkt dem Vergeltungsgedanken widerspreche, doch nicht im Interesse des Vergeltungsstrafrechtes liege, weil sie den Psychiatern, den Gegnern jeder Vergeltung, einen gefährlichen Einfluss auf die Strafrechtspflege eröffne. „Die Psychiater sind im Ganzen überhaupt keine Freunde des Strafrechts,“ warnt Birkmeyer vor der modernen Richtung im Strafrecht. „Jedenfalls aber die vermindert zurechnungsfähigen Verbrecher wollen die Psychiater jeder wirklichen Strafe entzogen wissen. Ihnen gegenüber lautet ihr Grundsatz „keine Strafe sondern Behandlung“.“ Der deterministische, wissenschaftliche Ansatz der Psychiatrie widerspricht Birkmeyers Vorstellung der Verantwortung eines freien Individuums. Nach Birkmeyer soll eine Strafe den objektiven Verbrechensgehalt einer Straftat vergelten. Die Straftat steht im Zentrum von Birkmeyers Strafbegriff. Das Mass der Strafe wird dem Täter zugewiesen, sie wird nicht durch die Eigenschaften des Täters bestimmt.
Mit diesen Ausführungen sind wir mitten im Schulenstreit um Vergeltungs- oder Zweckstrafe.
Franz Liszt (1851-1919) war Professor der Rechte in Berlin. Er forderte die Überwindung des gesellschaftlichen Straf- und Rachetriebes. Liszt berücksichtigte, dass jedes Verbrechen durch Zusammenwirken von Bedingungen entstehe, einerseits durch die individuelle Eigenart des Verbrechers, andererseits durch die den Verbrecher umgebenden äusseren Verhältnisse. Liszts Schule wurde auch die soziologische genannt.
Ziel und Zweck der Strafe ist nach Liszt die Abschreckung, Besserung oder Unschädlichmachung des Täters. An diesen Zwecken habe sich die Strafe zu orientieren.
Die Zweckstrafe legt ihren Massstab nicht in erster Linie auf das begangene Verbrechen an, sondern auf die Person des Täters und seine Gesinnung. Spezialprävention steht im Zentrum der Zweckstrafe. Das Strafmass wir dem Verbrechertypus entsprechend nach der persönlichen Abschreckungsfähigkeit des Täters festsetzt. Aus der Beurteilung des Täters folgert die Flexibilisierung der Zurechenbarkeit beziehungsweise die verminderte Zurechnungsfähigkeit. Die Beurteilung des Täters ist ein medizinischer Diskurs. Die dem eigentlichen Rechtscode fremde Psychiatrie dringt dadurch in die Rechtsprechung ein.
Die klassische Strafrechtslehre hatte im sogenannten Schulenstreit Liszts Reformansatz bekämpft. Die klassische Strafrechtsschule verlangte die ethisch gedachte, wertausgleichende Strafe als Vergeltung des Rechtsbruchs. Diese Lehrrichtung, die die Vergeltungsstrafe forderte, stand in einer indeterministischen, philosophischen Tradition. Im Sinne der hegelianischen Dialektik sei die Bestrafung der Straftat eine Negation der Negation der Rechtsordnung. Diese klassische Schule orientierte sich an der Generalprävention, die Vergeltungsstrafe werde zur allgemeinen Abschreckung gefällt.
1909 wurde der ‘Vorentwurf zu einem neuen deutschen Strafgesetzbuch’ vorgelegt. Zwischen den Strafrechtsschulen versuchte der Entwurf zu vermitteln, indem er vom Vergeltungscharakter der Strafe im Sinne der klassischen Richtung ausging, aber den kriminalpolitischen Forderungen der modernen Schule erhebliche Zugeständnisse machte. Das zeigte sich vor allem in der Ergänzung des Strafensystems durch eine Reihe sichernder und bessernder Massnahmen. Für den gemeingefährlichen, geisteskranken oder vermindert zurechnungsfähigen Verbrecher wurde ein Verwahrung zwecks Sicherung oder Heilung, für den alkoholabhängigen Verbrecher die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt vorgesehen. Die Ermessensfreiheit des Richters wurde erweitert. 1911 wurde zur Förderung der Weiterarbeit an der Reform ein „Gegenentwurf“ veröffentlicht, es folgte 1912 der „Kommissions-Entwurf“. Der 1. Weltkrieg brach die Reformdiskussion ab. Die kodifikatorische Reform wurde nach dem Krieg wieder aufgenommen, konnte sich aber nicht durchsetzen, bis dann die Nazis den Reformversuch gänzlich blockierten.
D. Ein Gelehrtenstreit: Brief des Vaters
Ulrichs Vater, ein emeritierter Strafrechtsprofessor, sieht es als seine Pflicht an, über die Reform des Strafrechts zu wachen. Die ‘unheilvolle Verweichlichung’ der Rechtspflege im Lisztschen Sinne schien sich auch nach Österreich Eingang zu verschaffen.
Der alte Professor ist fest entschlossen, dieser Untergrabung des Strafrechts den Riegel zu schieben. Der Vater klagt in einem Brief an Ulrich:

... soviel wird Dir bekannt sein, dass die beliebteste Einbruchspforte dieser sich fälschlich Humanität nennenden Rechtsunsicherheit die Bestrebung bildet, den die Strafe ausschliessenden Begriff der Unzurechnungsfähigkeit in der unklaren Form einer verminderten Zurechnungsfähigkeit auch auf jene zahlreichen Individuen auszudehnen, die weder geisteskrank, noch moralisch normal sind und das Heer jener Minderwertigen, moralisch Schwachsinnigen bilden, von dem unsere Kultur leider immer mehr verseucht wird. (317)

Der Vater fordert ein klares Entweder-Oder bezüglich der Zurechnungsfähigkeit. Übergänge und Dämmerbereiche wären Spielwiesen der Rechtsunsicherheit und Willkür.

§ 318 des zukünftigen Strafrechts soll nach Vorschlag des Vaters lauten:

<Eine strafbare Handlung ist dann nicht vorhanden, wenn der Täter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustand von Bewusstlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand, so dass> ... (317)

<- so dass er nicht die Fähigkeit besass, das Unrecht seiner Handlung einzusehen>. (317)

Folgendes hatte nun den Vater restlos zur Weissglut getrieben. Sein Vorschlag für § 318 wurde durch einen Gegenvorschlag eines ihm bekannten Professors konkurrenziert. Nach dem Gegenvorschlag sollte nicht das Fehlen der Einsichtsfähigkeit, sondern die nicht vorliegende Willensfreiheit als Bedingung der Zurechnungsunfähigkeit gelten.

<- so dass seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen war>, ... (317)

Eine Kombination von Einsichtsfähigkeit und Willensfreiheit als Kompromiss wurde vom gegnerischen Professor als unmöglich abgelehnt, worauf der Streit vollends entbrach.
Der Vater war der Ansicht, dass ein gewolltes immer ein mit dem Denken verknüpftes, kein instinktsmässiges Handeln ist. Der Wille unterwerfe in Gestalt der Überlegung und des daraus folgenden Entschlusses den Trieb und das Begehren. Durchgesetzter Wille sei bewusstes, einsichtiges Handeln.

Insoweit der Mensch seinen Willen kürt, ist er frei; wenn er menschliche Begehrungen hat, d.h. Begehrungen, die seinem sinnlichen Organismus entsprechen, also sein Denken gestört ist, so ist er unfrei. Das Wollen ist eben nichts Zufälliges, sondern notwendig unserem Ich folgende Selbstbestimmung, und also ist der Wille im Denken bestimmt, und wenn das Denken gestört ist, so ist der Wille nicht mehr Wille, sondern der Mensch handelt nur aus der Natur seines Begehrens! (317 f.)

Für den Vater ist Einsichtsfähigkeit Bedingung zur Freiheit. Freies Denken sei Grundlage der Willensbildung. Der Vater vernetzt die Begriffe Freiheit, Verstand und Wille. Es sind dies Begriffe aus der Metaphysik der Erkenntnis.
Wer Einsicht in eine Tat gehabt hat, habe die Tat gewollt. Einsicht mache eine Handlung rechtlich zurechenbar. Der Vater begründet Verantwortlichkeit durch die Behauptung eines freien und steuernden Verstandes. Das Denkenkönnen mache eine Tat zurechenbar. Der Vater geht davon aus, dass Einsicht sich zwingend im Willen durchsetzt.
Dieser Ansatz hat Mühe, eine Trennung zwischen Willen und Verstand zu erfassen, wie sie z.B. bei Sucht oder gewissen geistigen Krankheiten vorliegen kann. Es ist vorstellbar, dass eine Handlung trotz Einsicht in ihren Unrechtsgehalt unfreiwillig, zwanghaft ausgeführt werden muss. Des Vaters Gesetzesformulierung berücksichtigt nicht Täter, die zwar das Unrecht ihrer Tat einsehen, aber nicht anders handeln können. Die Begrifflichkeit des Vater gründet in einer Verklärung des Verstandes, des Logos. Wer an Verstand teilhat, ist frei und handelt ihm entsprechend. Der Vater trifft keine Unterscheidung zwischen der Möglichkeit des Erkennens und der Möglichkeit der Umsetzung des Erkannten.
Der Vater vertritt die Ansicht, man dürfe von nicht zurechnungsunfähigen Menschen erwarten, dass sie sich in einem Fall der verschleiernden Wahnvorstellung durch eine besondere Anspannung ihrer Intelligenz in Übereinstimmung mit ihrem übrigen Ich bringen. Der Vater meint, aus Einsicht folge Kontrolle, er glaubt an die Führungsfunktion des Verstandes. Deshalb sei Zurechnungsunfähigkeit nur durch ein intellektuelles Defizit zu begründen.
Im Gegensatz zum Vater setzt der Vorschlag des bekämpften professoralen Kollegen den freien Willen zur Zeit der Tat als Bedingung der Zurechnungsfähigkeit voraus. Die Klärung des unklaren Begriffs ‘freier Wille’ wird an die Medizin abgeschoben. Im umstrittenen Falle hätte die Medizin die Aufgabe, über eine allfällige Zwangslage oder Willensfreiheit des Täters zur Zeit der Tat zu gutachten.

F. Rechtshistorischer Hintergrund

Die Hegelianer verstanden Zurechnungsfähigkeit als logischen Begriff, als Bedingung der Möglichkeit von Zurechnung einer Tat. Infolgedessen mussten sie den Begriff einer ‘verminderten Zurechnungsfähigkeit’ ablehnen. Der Begriff der Bedingung lässt sich logisch nicht steigern.
Die im Roman beschriebene Diskussion über die Bedingung der Zurechnungsfähigkeit ist eine freiheitstheoretische Diskussion. Für Hegel bedeutet Freiheit, Einsichtsmöglichkeit in die Notwendigkeit. Hegel hat einen intellektualistischen Freiheitsbegriff. Die höchste Form der Freiheit ist die Selbstbefreiung des Geistes. Bei Hegel ist Freiheit das Attribut des Absoluten, der absoluten Idee, der unendlichen Vernunft. Auf dieser höchsten Ebene sei alles Geist und nichts gebe es ausserhalb. In diese idealistische Tradition stellt sich Ulrichs Vater, wenn er behauptet, dass der freie Wille sich nur als Ausdruck des Verstandes zeigen könne.
Löwenhardt erläutert 1853 in der Zeitschrift „Archiv für Strafrecht und Strafprocess“ in seinen „Kritischen Bemerkungen über die Mitwirkung der Ärzte bei der Bestimmung der Zurechnungsfähigkeit zweifelhafter Gemütszustände“, es sei der Wille, der den Trieb unterwerfe. „Ist das Denken gestört, so ist der Wille nicht mehr Wille, sondern der Mensch handelt nur auf Antrieb seines Begehrens. Es fragt sich mithin bei der Zurechnungsfähigkeit nur, ist sein Denken gestört oder nicht. Ein mittleres ist undenkbar.“ Ein Wollen ist somit ein mit dem Denken verknüpftes Handeln. Wer denkt, der wird folglich auch wollen können. Es scheint, als habe Ulrichs Vater bzw. Musil direkt von Löwenhardt abgeschrieben.

3. Die persönliche Wahrheit

„Möglich, dass ich damals keine andere Empfindungen hatte.“ (118)

Dies sagte Moosbrugger auf die Frage, warum er keine Reue empfunden hätte. Für Moosbrugger sind seine Empfindungen seine Wirklichkeit. In seiner eigenen Wirklichkeit gibt es nur seine Empfindungen. Er verhält sich nach ihnen, wie soll er sie beurteilen, wenn nicht nach seinen eigenen Empfindungen? Moosbrugger kann nicht von aussen sein Inneres beobachten. Er kann nicht mit unpersönlichen Normen seine Empfindungen kontrollieren. Bei ihm ist innen aussen und aussen ist innen, alles ist eins. Sein Wahn hält seine ganze Welt zusammen. Moosbrugger scheint, rein sich selbst zu sein. Deshalb kreisen die Personen im Roman fasziniert um ihn. Moosbrugger scheint nicht aufgegliedert, nicht zerrissen in eine komplexe Welt. Er ist ganz in seiner persönlichen Wahrheit.
Ulrich sagt:

„Du musst zugeben, dass niemand für seine Fehler kann, wenn man sie mit seinen eigenen Augen betrachtet; sie sind für ihn im schlimmsten Fall Irrtümer oder schlechte Eigenschaften an einem Ganzen, das ihrethalben nicht weniger gut wird, und natürlich hat er vollkommen recht!“ (262)

„Der Mensch ist nicht gut, sondern er ist immer gut; das ist ein gewaltiger Unterschied. ... . Man lächelt über die Sophistik der Eigenliebe, aber man sollte aus ihr die Folgerung ableiten, dass der Mensch überhaupt nichts Böses tun kann; er kann nur bös wirken." (262)

„Man hat eine zweite Heimat, in der alles, was man tut, unschuldig ist.“ (119)

Der Mensch ist sich selbst, er kann sich, seine Eigenart, sein Inneres nicht gestalten, denn dadurch würde das Gestaltende sich selbst gestalten. Dies wäre, als ob man sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf ziehen könnte. Zwar ist es einigen Individuen möglich, sich durch Reflexion verschiedene Handlungsvarianten zu eröffnen. Entscheidungsmöglichkeiten mögen sich differenzieren. Doch der Geist kann nicht frei sein von individueller Eigenart. Genausowenig wie der Wolf schuld ist, dass er Schafe reisst, genausowenig ist der Mensch für seine Eigenaurt schuldig. Jede Entscheidung ist Ausfluss von Eigenart und daraus folgenden Eigeninteressen. Da der Mensch dem Ablauf seines Innern folgen muss, hat er im Innern keine Schuld. Dass die Vernunft und die aus ihr folgende Einsicht in ein Naturrecht, den Menschen natürlich eigen sei, konnten Ulrichs Zeitgenossen nicht mehr überzeugt glauben, zu sehr würde dieser Ansatz durch die Auflösung allgemeiner Werte erschüttert. Diese Auflösung führte zu einem Subjektivismus und über ihn hinaus.

Auch der Begriff Gesundheit verlor seine feste Kontur.
Ulrich verneint, dass das Individuum sich selbst zu verantworten hat. Wir sind nicht die Ursache unserer selbst.

Im Grunde wissen in den Jahren der Lebensmitte wenig Menschen mehr, wie sie eigentlich zu sich selbst gekommen sind, zu ihren Vergnügungen, ihrer Weltanschauung, ihrer Frau, ihrem Charakter, ihrem Beruf und ihren Erfolgen, aber sie haben das Gefühl, dass sich nun nicht mehr viel ändern kann. Es liesse sich sogar behaupten, dass sie betrogen worden seien, denn man kann nirgends einen zureichenden Grund dafür entdecken, dass alles gerade so kam, wie es gekommen ist; es hätte auch anders kommen können; die Ereignisse sind ja zum wenigsten von ihnen selbst ausgegangen, meistens hingen sie von allerhand Umständen ab, von Laune, dem Leben, dem Tod ganz anderer Menschen, und sind gleichsam bloss im gegebenen Zeitpunkt auf sie zugeeilt. (130 f.)

Der erwachsene, im Mittag des Lebens stehende Mensch kommt so überraschend zu sich,

wie wenn eines Tags plötzlich ein Mensch dasitzt, mit dem man zwanzig Jahre lang korrespondiert hat, ohne ihn zu kennen, und man hat ihn sich ganz anders vorgestellt. Noch viel sonderbarer aber ist es, dass die meisten Menschen das gar nicht bemerken; sie adoptieren den Mann, der zu ihnen gekommen ist, dessen Leben sich in sie eingelebt hat, seinen Erlebnisse erscheinen ihnen jetzt als der Ausdruck ihrer Eigenschaften. (131)

Was vom Verbrechen angesichts der Relativität von Verantwortung und Schuld bleibt, ist der Gesetzesbruch im positiv rechtlichen Sinne, der Bruch einer Norm, die die Gesellschaft zum Schutz ihres Funktionierens aufgestellt hat. Die Rechtsprechung fällt kein absolutes sondern nur ein rechtliches Urteil.
Luther wahrscheinlich unter Einfluss eines Mystikers hatte gesagt, niemals sei unser Urteil über eine Tat ein Urteil über jene Seite der Tat, die Gott lohne oder strafe. Die Mystiker waren, im bürgerlichen Sinne, alle Immoralisten.
Sie unterscheiden zwischen der Sünde und der Seele, die trotz der Sünden unbefleckt bleibt.

„Auch in Christus war ein äusserer und ein innerer Mensch, und alles, was er in Bezug auf äussere Dinge tat, tat er vom äusseren Menschen aus, und stand dabei der innere Mensch in unbeweglicher Abgeschiedenheit“ sagt Eckehart. Solche Heilige und Gläubige wären am Ende imstande gewesen, sogar Moosbrugger freizusprechen!? (121 f.)

Hatte nicht Abraham gegen rechtliche Vorstellungen verstossen, als er sich anschickte, seinen Sohn Isaak zu opfern? Gerade weil Abraham bereit war, im unbedingten Glauben an Gott gegen rechtliche und gesellschaftlich moralische Vorstellungen zu verstossen, wurde seine Tat als Gleichnis der entschlossenen Hingabe gedeutet. Abraham wurde zum Gründervater der monotheistischen Religionen, weil er seine eigene, höchst persönliche Beziehung zu Gott über alle äusseren Forderungen und selbst über die Liebe zu seinem Sohn stellte. Die Religionen des Buches lehren, dass der einzelne Mensch sich in seiner Einzigartigkeit vor Gott verantworten muss. Der einzelne Mensch steht alleine vor Gott, wie er alleine vor dem Tod steht. Keine allgemeine Norm soll den Menschen angesichts seines einsamen Ausgeliefertseins vor dem Tode vor dieser absoluten Verantwortung entbinden können. Denn 'Gott sieht selbst in das Verborgene'. Das Geheimnis, die Beziehung zu Gott ist ein Schweigen gegen aussen. Gerede zerstört die direkte Verantwortung. In der absoluten Verantwortung liegt die Verantwortung für das Geheimnis.
Der christliche Verantwortungsbegriff individualisiert die Verantwortung nach der Unterscheidung Gott der Einzelne. In der Beziehung zum Allmächtigen liegt die Einzigartigkeit des Einzelnen.
Der Grossunternehmer Arnheim sagt im Roman, Moosbrugger sei zweifellos unschädlich zu machen.

„Er ist aber in den Zeiten seiner Anfälle ein Sitz des Dämonischen, das in allen starken Jahrhunderten dem Göttlichen verwandt empfunden worden ist. Früher hätte man den Mann, wenn seine Anfälle kamen, in die Wüste geschickt; er würde dann vielleicht auch gemordet haben, aber in einer grossen Vision, wie Abraham den Isaak schlachten wollte! Das ist es! Wir wissen heute nichts mehr damit anzufangen, und wir meinen nichts mehr ehrlich!“ (636 f.)

Der Roman beschreibt, wie die Moderne die persönliche Glaubensbereitschaft erschüttert. Ration und Wissenschaftlichkeit zersetzen mystische Geheimnisse. Die Hingabebereitschaft des Einzelnen erscheint sinnlos. Werte und Verantwortung zerfallen in verschiedene Zusammenhänge, relativieren sich. Die christliche Hingabe wird durch die rationelle Ergreifung und Aufteilung des Selbst untergraben.
Moosbrugger steht in der Tradition des christlichen Mysteriums. Er ist zwar krank, aber in seiner Krankheit konsequent. Moosbrugger ist sich selbst in seiner Einzigartigkeit. Er ist seinen Empfindungen verantwortlich. Moosbrugger handelt als ‘ganzer’ Mensch, nach seinen inneren Stimmen, ohne Kalkül, ohne Absicht und Berechnung. Moosbrugger ist nicht aufgegliedert in allgemeine Diskurse.
Moosbruggers Verbrechen können jedoch von der Umwelt nicht geduldet werden. Die Gesellschaft muss die Unschädlichmachung der Gefahr fordern. Der Fall Moosbrugger deckt jedoch bei vielen im MoE beschriebenen Personen eine Leere auf. Die absolute Konsequenz des Individuellen bei Moosbruggers unterscheidet sich von der berechnenden und fremdbestimmten Hingebungslosigkeit der sogenannten normalen Menschen. Die Kraft von Moosbruggers Vorstellungen fasziniert die Menschen im Roman.

4. Die Faszination am Verbrechen

Moosbrugger ist der Einzige im Roman, der handelt, etwas tut. Sein Handeln tritt aus dem Schatten der Orientierungslosigkeit der Anderen.
Der Fall Moosbrugger zieht sich als Thema durch den Roman. Die Roman Personen nehmen zu ihm Stellung. Ulrichs Vater ganz allgemein in einer Stellungnahme zur verminderten Zurechnungsfähigkeit, Bonadea, um über das gemeinsame Thema Moosbrugger zu ihrem ehemaligen Geliebten Ulrich zurückzufinden. Arnheim vergleicht das Unrecht von und an Moosbrugger, um auf die unmögliche Freiheit eines solchen Triebtäters zu schliessen und Ulrich sucht bei Moosbrugger die Berührung mit dem wirklichen Leben. Clarisse bewundert die Kraft von Moosbruggers Wahn. Clarisse ist überzeugt,

dass man sich einem Wahn überlassen müsse, wenn man der Gnade teilhaftig geworden sei, ihn zu fühlen. Denn ein Wahn ist eine Gnade. (910)

Sie verstand unter Wahn nichts anderes als Willen, nur besonders gesteigert. Wille war ein mächtiges Gesteuertwerden vom Leben, ein Ergriffensein von sich selbst, ein Dahinschiessen im Glück. Clarisse sah im Wahn die Erlösung, das Umfassen von allem unter einem vereinigenden Willen.
Clarisse ist von Moosbrugger beeindruckt. Moosbrugger handelte und nur Taten können erlösen. Clarisse prophezeit, Erlösung komme nur aus Ereignissen, die den ganzen Menschen mit Haut und Haaren einbeziehen. Bedingungsloses Handeln. sei hierzu Voraussetzung.
Moosbrugger hat dem Relativismus, der Auflösung der Zeit mit seiner mörderischen Tat eine nietzscheanische Vision entgegengestellt.

Auch Ulrich fühlt sich durch die Eindeutigkeit von Moosbruggers Tat angezogen. Ulrich sehnt sich manchmal danach, in Geschehnisse verwickelt zu sein wie in einen Ringkampf, seien es sinnlose oder verbrecherische, nur gültige sollten es sein. Ulrich leidet unter der Berührungslosigkeit seines Lebens.

"Manchmal kann ich mir denken, dass ein Mensch sogar durch ein Verbrechen glücklich wird, weil es ihm einen gewissen Ballast gibt, und dadurch vielleicht eine stetigere Fahrt.“ (742)

Nur Berührung scheint Ulrichs schwebendem Relativismus entgegen zu treten.
Die Faszination für das Verbrechen, die Sehnsucht nach der Eindeutigkeit der Gewalt mag individuell dem gleichzusetzen sein, was wenige Zeit später, 1914, die Massen Europas in Kriegsbegeisterung getrieben hatte. Der Krieg ist gewissermassen ein von der Obrigkeit erlaubtes Verbrechen.


Zitierte Literatur
Birkmeyer, Karl, Beiträge zur Kritik des Vorentwurfes zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, Leipzig, 1910.
Birkmeyer, Karl, Was lässt von Liszt vom Strafrecht übrig? München 1907.

Holzhauer Heinz, Willensfreiheit und Strafe, Berlin 1970.
Larenz Karl, Rechts- und Staatsphilosophie der Gegenwart, 2. Auflage, Berlin 1935.
Liszt, Franz, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 13. Aufl., Berlin, 1903.
Marschner Renate, Utopie der Möglichkeit: ästhetische Theorie dargestellt am „Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil, Stuttgart 1981.
Materialien zur Lehre von der verminderten Zurechnungsfähigkeit, Hg. von Gottschalk, Alfred, Berlin 1904.
Musil Robert, Der Mann ohne Eigenschaften, Bd. I., Roman / Erstes und Zweites Buch,
Bd. II., Roman / II. Aus dem Nachlass, Taschenbuchausgabe Rowohlt, Hamburg 1987.
(zitiert nur mit Seitenzahl)
Schmidt Eberhard, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Aufl.,
Göttingen, 1965.




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